Prävention von Alkoholproblemen

Massnahmen zur Verhütung von Alkoholproblemen
Prävention, Prophylaxe, Vorsorge

Primärpräventive Massnahmen

Grundsätzlich lassen sich drei Kategorien präventiver Massnahmen gegenüber Alkoholproblemen unterscheiden:

  • Die erste umfasst all jene Massnahmen, die das Ausüben selbstschädigender Verhaltensweisen - mithin das exzessive Alkoholtrinken - objektiv hindern, und zwar durch Steuerung der Zugänglichkeit zu jenen Gütern, welche zur Selbstschädigung notwendig sind. Solche Massnahmen versuchen somit, das Angebot alkoholischer Getränke zu beeinflussen.
  • Die zweite Kategorie umfasst all jene Massnahmen, die darauf abzielen, die Motive selbstschädigenden Verhaltens zu steuern. Diese Massnahmen versuchen entsprechend, die Nachfrage zu beeinflussen, indem sie individuumszentriert entweder die Motive des einzelnen angehen oder systemorientiert die gesellschaftlichen Bedingungen, welche die Nachfrage bewirken, zu verändern versuchen.
  • Schliesslich können Massnahmen auf die physische Umwelt gerichtet sein, um diese so zu manipulieren, dass sie sicherer für jene wird, die Alkoholprobleme haben.

Alkoholpolitische Massnahmen (Primärprävention)

Angebotslenkung
ökonomische Erhältlichkeit
physische Erhältlichkeit


Nachfragebeeinflussung

individuumsorientiert
systemorientiert


Einwirkung auf die physische Umwelt
passive Sicherheit
aktive Sicherheit

Angebotslenkung
(Möglichkeiten zur Steuerung der Erhältlichkeit alkoholischer Getränke)

Angebotslenkung umfasst all jene Massnahmen, die das Ausüben selbstschädigender Verhaltensweisen also den schädigenden Konsum von suchtbildenden Substanzen objektiv hindern und zwar durch Steuerung der Zugänglichkeit zu jenen Gütern, welche zur Selbstschädigung notwendig sind. Die Erhältlichkeit gesundheitsgefährdender Substanzen kann auf drei Ebenen beeinflusst werden:

Ökonomische Ebene
Beschränkung der Produktion und alternative Verwertung von Rohstoffen
Beschränkungen des Handels

Preisgestaltung alkoholischer Getränke und naher Substitutionsgüter


Physische Ebene

Beschränkung der Anzahl von Verkaufs- und Ausschankstellen
Beschränkung der Öffnungszeiten von Ausschank- und Verkaufsstellen
Vorschriften hinsichtlich Ausschanks für spezifische Getränke sowie für die Art und Weise des Verkaufs

Soziale Ebene

Beschränkungen des legalen Trinkalters
Zutrittsbeschränkungen zu Ausschankstellen
Beschränkungen des Verkaufs und Ausschanks für andere vulnerable Bevölkerungsgruppen

Quelle: Richard Müller: Die Lenkung des Angebotes alkoholischer Getränke als primärpräventive Massnahme gegenüber Alkoholproblemen, SFA 1984

Die oben zitierte Broschüre von Dr. Richard Müller, damals Direktor der SFA, vermittelte den Schweizer Fachleuten die Ergebnisse der internationalen Alkoholforschung.
Eine aktuelle Konkretisierung findet sich im Dokument Nationaler Alkoholaktionsplan 2000.

Zwei Jahrzehnte später fasste die Weltbank den aktuellen Stand der Forschung wie folgt zusammen:
"Approaches to reducing alcohol abuse

The most effective approach to reduce alcohol-related problems is to implement a comprehensive set of measures to reduce alcohol consumption and related problems. Policy options include price increases, restrictions on availability ( i. e. limits on the times and conditions of alcoholic beverage sales or service, minimum-age limits), strong drink-driving legislation and ready access to treatment. Some countries have succeeded in reducing per capita consumption substantially, and consequently have reduced liver cirrhosis deaths, a common indicator of alcohol-related problems in a society. Efforts to reduce alcohol consumption and related problems face formidable obstacles: alcohol dependence; social pressures; aggressive alcohol marketing and promotion; other pressing health problems competing for limited resources. But there are many good practices that can be replicated with political will, and broad support."

Why is reducing alcohol-related problems a priority?

Nachfragebeeinflussung
(Beeinflussung der Nachfrage als Möglichkeit primärer Prävention)

Nachfragebeeinflussung umfasst all jene Massnahmen, die darauf abzielen, die Motive selbstschädigenden Verhaltens zu steuern.

Individuumsorientiert = personenbezogen

Ziel dieser Massnahmen ist es, die Nachfrage nach schädigenden Substanzen zu vermindern und alternative Verhaltensweisen zu fördern. Die Hauptannahmen für diese Massnahmen sind:
 Ein Defizit an Wissen führt zu "falschen" Präferenzen; dem soli durch Zuführung von Informationen (persuasive Kommunikation) begegnet werden.
 Ein Defizit an personellen und sozialen Ressourcen führt zu "falscher" Lebensbewältigung; dem soll durch Vermittlung von Fähigkeiten zu besserer Selbsteinschätzung und Lebensbewältigung (affektive Erziehung) abgeholfen werden.
 Ein Defizit an wahrgenommenen Alternativen mit analogem Gratifikationspotential führt zu "falscher" Freizeitbewältigung; dem soll durch Vermittlung von Alternativen abgeholfen werden.

Systemorientiert = umweltbezogen
Ziel ist es, problemfördernde Umstände im Umfeld des Individuums abzubauen bzw. die problemlösenden Umstände zu fördern. Einsatzgebiet sind:

 Auf der Mikroebene sollen durch Eltern und Lehrerschulung "falsche" Sozialisationspraktiken und "fehlerhaftes" Modellverhalten "verbessert" werden.
 Auf der Mesoebene sollen durch gemeindeorientierte Prävention fehlende Erlebnisangebote und die fehlende Sensibilisierung der sozialen Umwelt ergänzt werden.
 Auf der Makroebene sollen durch politische Arbeit Mängel der Sozialstruktur (z.B. Armut, Arbeitslosigkeit, Bildungsmängel) behoben werden (Strukturpolitik).

Einwirkung auf die physische Umwelt
Massnahmen können auf die physische Umwelt gerichtet werden, um diese so zu beeinflussen, dass sie sicherer wird für jene, die Probleme im Umgang mit Substanzen haben.

 Erhöhung der passiven Sicherheit
 Erhöhung der aktiven Sicherheit

Sanktionen Der Durchführung der Gesetze und Strafbestimmungen ("Law Enforcement") kommt innerhalb der präventiven Massnahmen eine besondere Stellung zu. Gesetzlichen Massnahmen auf allen Ebenen kommt nur dann eine Wirkung zu, wenn sie innegehalten bzw. durchgesetzt werden.

Der Tatsache der Strafandrohung und der Höhe der angedrohten Strafe scheint nicht viel präventive Wirkung zuzukommen. Wirksam dagegen scheint die Wahrnehmung des Risikos, Schwierigkeiten mit der Polizei- bzw. dem Administrativ- und Justizapparat zu haben.

Quelle: Richard Müller, Die Beeinflussung der Nachfrage nach alkoholischen Getränken als Möglichkeit primärer Prävention, SFA 1986

Ein umfassendes Modell der primären Prophylaxe

Jede einzelne der möglichen präventiven Massnahmen kann für sich allein langfristig gesehen das Ziel der Prävention nicht erreichen; Alkoholprobleme können weder monokausal erklärt noch mit einer einzigen Massnahme verhindert oder beseitigt werden.

Jede einzelne der oben aufgeführten präventiven Massnahmen ist aber nötig; erst ein Zusammenspiel verschiedenster Massnahmen kann Erfolg versprechen.

Definitionen der Prävention

1. Primäre Prävention meint die Verhinderung einer Erkrankung von vornherein, so dass auch keine Anfangssymptome auftreten.
(Beratung, Aufklärung, Gesundheitserziehung).

2. Sekundäre Prävention zielt auf Verkürzung beginnender oder bestehender Erkrankungen, hauptsächlich durch Früherkennung und Frühbehandlung
(Therapie, Vorsorgeuntersuchungen).

3. Tertiäre Prävention ist die Verhinderung von Schäden, die als Folge einer bestehenden. Störung auftreten.
(Therapie, Rehabilitation, Nachbetreuung) .

A. Nicht-spezifische Prävention geschieht auf Grund solcher Gegebenheiten, die zwar u. a. auch einen Einfluss auf die Entstehung oder Beseitigung von psychischen Störungen haben, die jedoch in erster Linie unter generellen Aspekten zu betrachten sind. Forderungen nach optimaler Gestaltung dieser Bedingungen sind im Interesse des allgemein gesellschaftlichen Fortschrittes zu stellen, nicht nur wegen ihrer psychiatrischen Präventionswirkung. Durch Veränderung in den Arbeits- und Lebensbedingungen kann eine Veränderung des Krankenstandes auf unmittelbaren: Wege erfolgen.
(Sicherheit des Arbeitsplatzes, Arbeitsplatzgestaltung, Arbeitstempo, Kindheitsentwicklung, Sozialisation, Armut, Wohnverhältnisse, soziale Isolation, desintegrierte Gemeinden).

B. Spezifische Prävention geschieht durch "gezielte präventive Aktivität". Darunter werden alle Anstrengungen zusammengefasst, die speziell mit der Absicht der Verhütung psychischer Störungen ausgeführt werden.

(Rainer Seidel, Bedingungen der Prävention psychischer Störungen, Das Argument, Februar 1972, Seiten 14 ff)

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1. Alkoholpolitik im Dienste der Gesundheit
Einleitung, Index
2 .WHO und Alkoholpolitik
3. WHO zu Alkohol und Gesundheit 1998 - 2001

3.1. Declaration on Young People and Alcohol Stockholm 2001
4. Schweizerische Alkoholpolitik - wohin?

5. Entwicklungen des Alkoholkonsums, der Alkoholkonsummuster und Probleme in der Schweiz
6. Chronik der Alkoholpolitik
7. Chronik der Alkoholpolitik im 21. Jahrhundert
7a. Alkoholpolitik unter der Bundeskuppel
9. Alkoholkonsum in der Schweiz

10. Historische Aktualitäten zur Alkoholpolitik

11. Alkoholpolitische Stellungnahmen

12. Europäischer Aktionsplan Alkohol
13. Nationaler Alkoholaktionsplan Schweiz
14. Schweizerische Gesetze über den Alkohol
15. Die neue Promille-Grenze  
Hier:
16. Prävention von Alkoholproblemen
und ausserdem:
Beiträge zur Alkohol-Geschichte der Schweiz
Sechs alkoholpolitische Kraftakte: Volksabstimmungen
Zitate zu Alkohol
Gegen das überhandnehmende Brantweintrinken (1845)
Heim:
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