Gegen das überhandnehmende Brantweintrinken
"das nütnutzige Branntewytreihe oder Brönzsuuffe"
(Branntwein)


Gegen das überhandnehmende Brantweintrinken


(Rede in einer gemeinnützigen Gesellschaft, Emmenthal, 1845)

Losit, Präsidänt un ir Manne!

Üsi Gsellschaft het sech fürgnoh, dämm z'hälfe, was guet u rächt isch, u so müesse mer de o dämm wehre, wo nüt nutz u nütgrächtig isch, u vo dämm wott i jetz grad neuis säge, wie da sit eme Rung i üser Gägni un i üser Gmein es wüests Wäsen ufchunnt mit dem nütnutzige Branntewytreihe.

Luegit, me het ja meh as tuusig Exämpel, wie das Brönzsuuffe d'Lüt a Lib und Seel verderbt. Gschouit si numen a, die Branntewyrülpse; me gseht ne's a Lib u Seel grad a, was si si. Hei si nit Brönz im Lib, so si si z'vollmig nüt nutz; si chöi nit däihe, si hei ke Lust Neuis zschaffe, si hei ke Chraft zur Arbit, Alles isch so lodelig a ne, si zittere u waggele u plampe, wo si gah wei; chum möge si es Wärchschit rächt agryffe. Ist e settige Brönzschluch no nüechter, so isch er en erbärlige Tropf, dass es eim ab ihm ecklet; ist er de gar gsoffne, so isch z'vollmig en Uflat, dass eim drab gruuset, dass e Möntsch si so cha zuebutze. Vo dene Brönzwibere wei mer de nume gar nid rede, das ist fei gar z'wüest.

Losit, Manne! I ha scho mängisch däicht, das Brönzsuuffe sött vo der Regierig als e verderbligi Sach ganz verbotte wärde. M ghört jetz drum vo dene Chinesere brichte, wie sie i allne Wüsseschafte u Chünste so wir derhinger blibe sige. Mira sig's, es ist schlimm gnue für seie. Aber d'Chineser si Heide, u doch het ihri Regierig nit welle, das ds Volch mit dem Opium* a Lib und Seel verderbt wärdi, u hingäge mängi christligi Regierig luegt zue u seit nüt derwider, dass ihres Volch im Branntewy ersuuft un a Lib u Seel z'Grund geit. Me verbietet doch Gift z'mache, u nid e Jedere darf settigs fabriziere u verchoufe. Aber ist der Branntewy nit on es gföhrligs Gift u gseht me nit alli Tag, wie so Vil derbi z'Grund gange? Warum cha me nit o verbiete, Branntewy z'brönne u z'verchoufe?

I weiss nadisch wohl, dass Mänge das nit gloubt u seit, zum Exämpel, d'Ruesse treihe vil Branntewy u sige notti gsung u starch un es gäb vil alt Lüt unger ne. Mira sig's eso! Aber d'Ruesse si Ruesse, si läben am en angeren Ort weder mir un ihri ganzi Läbtig isch angers weder üsi u mirhei ke Ruessenatur. Umehie säge Die, wo dem Branntewy z'best rede: es gäb doch o Lüt, dass vo Juget uf Brönz treihe un ufligi styffi Lüt sige u notti no alt wärde. Nu, es mag hie u da Eine gä, dem's minger schadt, bsungerbar we si öppen o Zyl u Mass cheu halte. Aber i säge nüt desto minger: der Branntewy isch es Verderbe für Lib u Seel, un i chäs mit Exämpel bewyse! Lueg me nume doch die Lüt a a denen Orte, wo das Brönzsuuffe im Schwang geit u heig de die angere dergäge, wo nüt seligs tribe: me wird der Ungerscheid grad einisch gseh. Mi gseht's a den Erwachsene u sogar a de Chinge, an ihrer Hushaltig, an ihrer Bchleidig, ja sogar a de Hüsere u wie das ganz Ort öppen usgseht; da gseht me, was der Branntewy cha, wie bi dene Schnapsbrüedere Armuet, Usüferi, Unornig, es ugschämts Wüesttue un es fuls tods Wäsen ist.

Gschouit! I wott nit üsi Gägni oder Gmein gschulte ha, as we si o so versoffni wär. Dsälb isch grad nit, dass ds Brönzsuuffe hie scho e gmeini Gwanheit wär; aber wahr isch notti, dass es bi Etlige u bi ganze Familie scho afaht,u dass me's wohl gseht, wie längerd i meh Branntewy bruucht wird. Jetz isch no Zyt z'wehre, u drum isch mer gsi, i müess grad hie dervo rede.

Fraget ihr mi jetz: Was cha üsi Gsellschaft dergäge tue? so will ig ech mi Meinig mira scho säge.

Für ds Erste sött en Jedere, se wit er ma grecke, das Brönztreihe verbiete. I meine, es sött e kene von üs erloube, dass men i sim Huus Brantewy treihi, weder Chnächt no Magd, no Touner, u de d'Ching gant erst nit. U das cha no über ds eige Hus usgah, wen e Meister rund use seit: Wär Brönz trinkt, dä wott i nit i my Dienst näh u mi Taglohn, un i verbiete mine Dienste churzum u rundemänt, i die Wirtshüser u die Pintleni z'gah, wo me settigs uswirtet. Das Gsetz cheu mir gä u halte u bruuche derzue kei grosse Rat u kei Regierig.

U de cheu mer no Eis tue: mir cheu d'Lüt öppe brichten u warne. Träffe mir Einen a, den's öppe träffe ma, so seu mer nit ermagle, ihm z'säge, wie verderblig das Brönztreihe sigi, u d'Schuemester sötten überal, wo's si öppe schickt, rede u die Ching vor em Brönz mache z'gruse; ja me dörft souft i der Predig un o der Chingelehr vor dem schädlichen Uebel warne. Bsungerbar düecht mi, sött me seligi Schriften unger ds Volch bringe, wo vo dem Branntewy u sim Verderben erzelle u Bispyl bringe, wie d'Lüt derby z'Grund gange. Der Zschokke het e so eis gschribe, es namset si: "Die Brannweinpest"** un ist bsungerbar es styffs u nutzligs Läse.

U zum Dritte chönnt me doch probiere u Dene, wo Branntewy verchoufe, zuespräch, nume zerst früntlig, u ne säge, was das für nes verderbligs Gwärb sig. Tüe si nüt drum, he nu! so zeig me ne, dass me das Gwärb verachti u nie meh in ihres Hus chöm u libermänt nüt meh mit ne z'tüe heig. Wen eine, nume für ds Gält, anger Lüt a Lib u Seel verderbt, so isch er si nit wärt, dass angeri ehrligi Lüt mit ihm Fründ sige.

U de zletscht, ir Manne, chönnt men öppe luege, öb me nit Dene, wo weniger vermöglech si, öppis Wohlfeils u notti Gsungs chönnt z'trinke schaffe. Si cheu doch o nit nume ganz Wasser treihe u wurden o nit welle. Der mingst Wy isch gäng besser als Branntewy. We me dä Wy nit cha ha, so lueg men Oepfelmost oder Bier ufzbringe. I wott nit dä si, wo den Arme nit öppen o e Freud i gueter Gsellschaft gönnt, u darzue ghört si doch e guete Trunk. I bi sälber o gärn mit Angere lustig u ma's drum den Angere o gönne; aber es eklet mi ab dem wüeste Glust am Branntewy, wo der Mönsch wird wien es Tier.

Heit nit für unguet, Manne, dass i echli längs gmacht ha. Es isch mer gsi, i müesst dervo rede, wil's eso en überus schlächti Sach ist. U de machen i zletscht no der Antrag: Me sött us üser Kasse zäche Stuck vo ds Zschokke's Buech chofe un i dr Gmein de Lüte z'läse gä.

( Quelle: "Schwyzer-Dütsch", Sammlung deutsch-schweizerischer Mundart-Literatur, gesammelt und herausgegeben von Professor O. Suttermeister, Aus dem Kanton Bern, Erstes Heft 1882)


I bi de öppe gar nid mit allem yverstande, wo dä Volksredner seit, aber es isch es historisches Dokumänt. (S het z.B. kener Froue derby!) Villech no es paar Wort zur Ortografie:
  • Är bruucht nume sälte es "y" für dr gschlosnig "ii" wi i Branntewy, Zyt oder bewyse; drum schrybt är "si si" (sie sind) glych wi "si si" (sind sie). I wurd schrybe "si sy" u "sy si".
  • E paar Wörter sy Oberämmetalerisch:
    treihe = treiche = trinke
    däihe = däiche = dänke
  • Es sicher es paar Fähler drinne, aber i cha nid säge, was 1845 isch richtig gsi u was dr Verfasser äxtra so gschribe het

* 1.Opiumkrieg 1840-1842, 2. Opiumkrieg 1856-1860, siehe z. B. Der Opiumkrieg oder Karl Marx, Die Geschichte des Opiumhandels.
**
Die Branntweinpest. Eine Trauergeschichte zur Warnung und Lehre für Reich und Arm, Alt und Jung. Aarau 1837. Volltext im Projekt Gutenberg - Biographie im Projekt Gutenberg
1839 sprach der Staatsverwaltungsbericht des Kantons Bern des Kartoffelbrennens wegen von einer "Branntweinpest" (Geschichte des Kantons Bern seit 1798: Band II, 4.4. Das Armenwesen)

Erst das Alkoholgesetz von 1887 schränkte die Freiheit der Kartoffelbrennerei ein; seit 1933 erfasst das Gesetz auch Obst-, Wein- und Beerenbranntwein, nicht aber Wein und Bier. Schnaps brennen braucht eine Bewilligung; schwarz Brennen wird bestraft. Kurzgeschichte bei der Alkoholverwaltung.
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