Etwas berndeutsche Grammatik
(im
Aufbau)
Berndeutsche Texte versteht
leichter, wer eine Ahnung von den grammatikalischen Eigenheiten hat.
Dazu noch eine Kleine
Orthographie/Ortografie
3
Geschlechter
Berndeutsch kennt drei Geschlechter, auch in Artikel, Pronomen und Zahlwort
1. Unbetont (Artikel)
der*
Maa - e Maa
d Manne |
d Frou -
e Frou
d Froue |
ds Chind
- es Chind
d Chind |
2. betont (Demonstrativpronomen
- Zahlwort)
dä
Maa - ei Maa |
die Frou
- ei Frou |
das Chind - eis Chind |
die Manne |
die Froue |
die Ching |
3. Zahlwörter
ei Maa
zwee Manne
drei Manne |
ei Frou
zwo Froue
drei Froue |
eis Chind
zwöi Chind
drü Chind |
*Gesprochen
"dr" und besser auch so geschrieben Wenig
Fälle
1. Artikel und Substantiv
Das Substantiv
hat (mit seltenen Ausnahmen) keine Fall-Endungen.
Artikel und Substantiv
haben in Nominativ und Akkusativ die gleiche Form.
Es gibt (mit
seltenen Ausnahmen) keinen Genetiv.
Je nach Stellung
werden die Formen der Artikel verändert.
Nominativ/Akusativ |
der Maa
- e Maa
d Manne |
d Frou -
e Frou
d Froue |
ds Chind
- es Chind
d Chind |
Dativ |
em Maa
- emene Maa
de Manne |
der Frou
- enere Frou
de Froue |
em Chind - emene Chind
de Chind |
Verb
Der Infinitiv
endet bei mehrsilbigen Verben auf "-e" (ohne "n");
einsilbige Verben haben keine Infinitiv-Endung (ha, sy, gah, stah, la,
fa, schla, näh, gä, cho, zie, tue).
Die Höflichkeitsform
ist die 2. Person der Mehrzahl (Dihr*
= hochdeutsch ihr, Ihr, Sie) und nicht die 3. Person Mehrzahl wie im
Hochdeutschen oder in den anderen Dialekten der Schweiz. Also "Grüessech"
und nicht "Grüezi". "Mir
Bärner säge 'Dir', nid 'Sie'**",
so schrieb schon der Gletscherpfarrer Gottfried Strasser (1854 - 1912).
*"dihr"
wird "dir" ausgesprochen und oft auch so geschrieben. Das
Wort "Dihr" kann noch der neuen Orthographie auch "dihr"
geschrieben werden... **gesprochen
"si", heute auch "si" geschrieben.
Im
Berndeutschen wird die Verbform des Futurs ("i
wirde 's erläbe") kaum gebraucht. Die Zukunft wird mit Adverbien,
meistens mit "de" ("i chume de") umschrieben.
Das
Imperfekt Präteritum ist ausgestorben; die Vergangenheit
wird durch das Perfekt ("i bi gsi", "i ha gha")
ausgedrückt. Die Vorsilbe g- des Mittelworts der Vergangenheit
verschmilzt mit dem Anfangskonsonanten des Verbs und wirkt als Verstärkung:
g+b=bb, g+d=dd, g+g= gg; g+p=p, g+t= t, g+k=k, g+z=z, g+s =x (geschrieben
x oder gs) Spuren des
Präteritums gab es noch im 18. Jh. im Schwarzenburgerland, s.
Dürrenmatt.
Der
Plural hat beim Verb wie im Hochdeutschen zwei
Formen:
- Hochdeutsch: wir machen - ihr macht - sie machen
- Berndeutsch¹:
mir mache - dihr machet/machit - si mache
- Zürichdeutsch²
dagen hat nur eine Form: mir mached - ihr mached, si mached
- Walliserdeutsch³
hat drei Formen: wir machen - ihr machet - si machend (ein
schönes Beispiel: gää: geben; Gegenwart: ich gibu, dü
gischt, är git, wjer gäbe, jer gäbet, schii gäbunt)
¹
Bernbiet, Deutsch-Freiburg,
Solothurn, westlicher Aargau, Entlebuch
²
Östlich der
Linie Lenzburg-Luzern-Furka (St.Galler Oberland und Graubünden)
und in Basel haben die Verben als einzige Form: mir machend...
³
Ohne Goms
Besonders
berndeutsch sind die Formen des Konjunktivs (chiem,
miech, gieng...)
" wo chiemte mer hi
wenn alli seite
wo chiemte mer
hi
u niemer giengti
für einisch
ga z'luege
wohi dass me chiem
we me gieng"
(kurt marti, wo chiemte mer hi?, gedicht u schtückli
us dr bärner umgangsschprach)
Für Google-Sucher:
"wo chiemte mer hie" ist falsch geschrieben; "wo
chiemte mr hi" wäre auch berndeutsch; "wo chiemte mir
hi" entspricht nicht dem Versrhythmus.)
( / und trennt
landschaftliche Varianten; ( ) der Laut wird auch weggelassen)
gah = gehen
Gegenwart: i gah/gange/goh - du
geisch - er geit - mir ga/gange/göh - dihr gaht/ganget/göht
- si ga/gange/göh
Vergangenheit: i by ggange ...
Befehl: gang! - gaht!/ganget!/göht!
Konjunktiv 1, Möglichkeitsform:
Variante a): i gai/gahji, du gaisch/gahjisch, er gai/gahji, mir
gai/gahji/gahje, dihr gahjet/gahjit, si gai/gahji/gahje
Konjunktiv 1, Möglichkeitsform:
Variante b): i gang(i) - du gang(i)sch - er gang(i) - mir gange/gangi,
dihr ganget/gangit - si gange/gangi
Konjunktiv 1, Möglichkeitsform:
Variante c): i göi/göhji - du göisch/göhjisch
- er göi/göhji - mir göi/göhji/göhje - dihr göhjet/göhjit
- si göi/göhji
Konjunktiv 2, Bedingungsform:
i gieng(i) - du gieng(i)sch - er gieng¹/giengti/giengi
- mir gieng(i), dihr gienget/giengit - si gieng(i)
(Das "h"
gibt hier in Anlehnung an das Hochdeutsche die Längung an; das "ie"
muss deutlich als "i-e" ausgesprochen werden.)
ha = haben
Gegenwart: i ha - du hesch(t) - er het
- mir hei - dihr heit - si hei
Vergangenheit:
i ha gha ...
Befehl: häb! - häbet!/heit!
Konjunktiv 1, Möglichkeitsform:i heig(i),
du heig(i)sch(t), er heig(i), mir heig(i), dihr heiget/heigit, si heig(i)
Konjunktiv 2, Bedingungsform:
i hätt(i), du hätt(i)sch, er hätt(i), mir hätt(e)/hätti,
dihr hättet/hättit, si hätt(e)/hätti
sy = sein
Gegenwart: i bi - du bisch - er isch -
mir sy - dihr syt - si sy
Vergangenheit: i bi gsy/gsi...
Befehl: bis!/syg!/bisch! - syget!
Konjunktiv 1, Möglichkeitsform: i syg(i),
du syg(i)sch(t), er syg(i), mir syg(i), dihr syget/sygit, si syge
Konjunktiv 2, Bedingungsform: i wär(i), du
wär(i)sch, er wär(i), mir wär(e), dihr wäret/wärit,
si wäre Wenn
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"Marti, Werner, Berndeutsche
Grammatik für die heutige Mundart zwischen Thun und
Jura, 280 Seiten, 1. Auflage 1985, gebunden, Fr. 49.00, € 27.61,
ISBN 3-305-00073-2" |