Erlebtes und Erdachtes von Eduard Muster

Von Eduard Muster Erlebtes und Erdachtes

Teil 1: Lehr- und Wanderjahre

Am 22. Juli 1937 erblickte mich das Licht der Welt als ältestes von 7 Kindern in einem kleinen Weiler (Steinisweg) in der Nähe von Bern. Das war "zufällig" 10 Monate nach der Frankenabwertung vom 26.9.1936, mit der sich die Schweiz aus ihrer "selbst verschuldeten Abhängigkeit" von der Goldwährung und damit von der Weltwirtschaftskrise befreite. Die Schweizer konnten aufatmen und fassten neuen Lebensmut... (Mein Vorname Eduard ist unserer Familie nicht verbreitet. Ob er in Zusammenhang steht mit dem englischen König Edward VIII [20. 1. 1936 bis 11. 12. 1936] habe ich meine Mutter zu fragen vergessen.) Mein Vater Hermann war das 11. und jüngste Kind seiner Eltern; meine Mutter Klara das 18. Kind und das 15., das erwachsen wurde. ("Beidseitige Überkindung" nannte dies der Sozialinspektor unserer Gemeinde.)

Meine Eltern bewohnten den Kleinbauern- und Tagelöhnerhof "Tuft", der an den Wohlensee grenzt. (Das Haus samt Umschwung - etwa 180 Aren -, dazu Wald im "Flührain", der unzugänglich war und ungenutzt blieb - gehörte meinem Vater, einem Bruder und den Banken. Laut bernischer Erbtradition übernahm der Jüngste* den Hof und zahlte seine Geschwister aus, wozu die vom Erblasser amortisierte Hypothek wieder aufgebaut wurde.) Zum Unterhalt einer zahlreichen Familie reichte der Ertrag natürlich weder bei meinen Grosseltern noch bei meinen Eltern aus. In unserem Haus wohnten die Mutter und ein Bruder unseres Vaters. Mit der anwachsenden Kinderschar baute unser Vater Räume im ersten Stock zu Zimmern aus. Auch die Wasserleitung vom Brunnen in die Küche installierte er. Strom hatten wir, auch wenn die Grossmutter am immer noch das Licht auslöschen wollte, wie früher die Petrollampen. Telefon hatten wir lange keines. Das Telefon eines Bauern war eine "Gemeindesprechstation", bei der man telefonieren konnte. Es wurden auch Anrufe ausgerichtet. Der selbe Bauer war auch dafür zuständig, die Strassenlampe an der Kreuzung an- und abzustellen.

Laut Erbschaftsinventar vom 1932 waren unser damals verstorbener Grossvater Gottfried (*1863), unser Vater und 2 seiner Brüder Holzer. Die anderen Brüder und die Schwäger waren Melker, Wegmeister, Handlanger und Hilfsarbeiter. Mit einer temporären Ausnahme wohnten alle in der Gemeinde Wohlen und sorgten für deren Unterhalt. Auch meine Mutter stammte aus der gleichen Gemeinde. (Mehr zu Musters in Wohlen)
*Vergleiche die Erinnerungen von Fritz Schwarz.

Mit Autos war das Haus nicht zu erreichen; die letzten Hundert Meter des Weges waren zu steil. Im Westen wird das Gelände von Sandsteinfelsen begrenzt, die zu Ehren unserer Familie vom Wohlenseeverein "Musterflühe" genannt wurden. (Wir selber nannten sie bescheiden "Flührain".) Das Haus aus den 60er Jahren des 17. Jahrhunderts steht an der Kante eines aufgegebenen Tuffsteinbruchs und wird daher "Tuft" genannt. Am Weg der Steine entstand der Weiler Steinisweg mit drei Bauernhöfen und zwei Taunergschickli. Im Osten hat sich der Tuftgrabenbach (wir nannten ihn Spachgraben, denn der Bach entspringt nahe der Spachweid) eine tiefe Schlucht gegraben, die bis zur Errichtung eines "steilen Holzsteg im Tuffgraben bei Steinisweg" nur für sehr geübte Wanderer zu überqueren war. (Steinisweg / Grabenbachsteg) Am leichtesten zugänglich ist der Hof vom Süden her über den Wohlensee, einen 1920 errichteten Stausee - wird heute als Flusskraftwerk betrieben - der Aare (unser Grossvater hat dabei einen Teil seines Landes verloren), sei es zu Schiff oder bei zugefrorenem See zu Fuss oder mit dem Moped, was den Arbeitsweg unseres Vaters verkürzte...

Das Haus kann nicht besichtigt werden, aber eine Kopie davon ist das Taglöhnerhaus von Detligen BE (1760) im Freilichtmuseum Ballenberg. Das Museum beschreibt auch das Leben der Tauner. Viel war an unserem Haus in den fast 300 Jahren nicht geändert worden. Es hatte noch einen Resten Strohdach. Strom haben wir schon, obwohl die Grossmutter am Abend immer noch das Licht ausblassen liess. Fliessendes Wasser hat unser Vater eingerichtet und die Kammern zu Zimmer umgebaut.

Ungenutztes Grasland am anderen Ufer des Sees konnten wir nutzen, indem wir ein Motorbot und ein Ruderboot zusammen banden, mit Laden überdeckten und dann unseren Wagen darauf befestigten.
Tuft am Wohlensee (Mehr zur Familie Muster <im Aufbau>)

Kantonales Naturschutzgebiet Wohlensee-Nordufer
Teile des Rainhubels im Hofenwald, das bewaldete Bachtobel im Gebiet Tuft, der Wald am Steilhang Flührain und das Mündungsgebiet des Leubaches mit Schlickbänken, Schilf, Riedland und Erlenbruch wurden im August 1992 unter den Schutz des Staates gestellt. Damit will man charakteristische Laubwaldgesellschaften des Mittellandes als natürliche Wälder ohne forstwirtschaftliche Eingriffe schützen und fördern, Ufer- und Riedland als Lebensraum für eine vielfältige Tier- und Pflanzenwelt erhalten sowie die typischen Lebensräume des Wohlensee-Nordufers als ökologische Ausgleichsflächen und wissenschaftliche Forschungsobjekte sicherstellen. Die verlandete Leubachbucht ist als artenreicher Amphibienstandort zusätzlich im Inventar der Amphibienlaichgebiete von nationaler Bedeutung. Da leben noch Exemplare der gefährdeten Arten Unke, Erdkröte, Fadenmolch und Feuersalamander.

Kreuzkrötenareal Illiswil
Westlich von Illiswil wurde in den Sechzigerjahren eine Kiesgrube betrieben. Sie war bekannt für ihre Uferschwalbenkolonie und für ihre Kröten. Als die Kiesausbeute erschöpft war, wurde das Areal schrittweise rekultiviert. Der Landschaftskommission unserer Gemeinde gelang es, mit den Grundeigentümern eine Vereinbarung zu treffen: einen Ersatzlebensraum für die seltenen Kreuzkröten schaffen. Das 1998 entstandene Areal weist eine Fläche von 14 Aren auf. Seine sonnige Lage und die angrenzenden extensiven Wiesen sind ein wertvoller Lebensraum für Tiere und Pflanzen. Die Tümpel wurden bereits in den zwei ersten Sommern von Grasfröschen, Kreuzkröten, Erdkröten und Alpenmolchen zum Laichen benutzt. An warmen Tagen können Sie verschiedene Libellenarten beobachten. Weiter dienen die Tümpel zahlreichen Vogel- und Wildarten als Tränke. Die vielfältige Vegetation wird auch Sie bei Ihrem nächsten Spaziergang begeistern.
Quelle: Webseite Wohlen
Mehr zu Steinisweg und zum Wohlensee von Walter Sägesser "im Bund"
Ein Präsident baute das Mühlerbergwerk
Gabriel Narutowicz war polnisch-schweizerischer Doppelbürger, Professor an der ETH in Zürich, Projektverfasser und oberster Bauleiter des BKW-Wasserkraftwerkes Mühleberg. Dieses Kraftwerk wurde 1922 in Betrieb genommen.
Als Polen nach der Teilung durch Russland, Preussen und Österreich nach dem Ersten Weltkrieg wiederentstand, wandte sich Ingenieur Gabriel Narutowicz in seiner ursprünglichen Heimat der Politik zu. Im Jahr 1922 wurde er erster Präsident der Republik Polen. Aber bereits nach fünf Amtstagen, am 16. Dezember 1922, wurde er von einem rechtsradikalen Nationalisten ermordet.
Die BKW errichtet Narutowicz im Herbst 2009 am Wohlensee ein Denkmal. Geschaffen wird es vom 1948 geborenen polnischen Künstler Krzystof Szczepan Nitsch. (-gg-)

Der See war Nahrungsquelle für viele Fische, denn die Abwässer der Stadt flossen damals noch ungeklärt in die Aare und brachten ausser Nahrungsresten auch Pariser mit.
Zu meinem 10. Geburtstag erhielt ich ein Fischereipatent, so konnte mein Onkel vom Schiff aus vier Ruten benutzen; selber gefischt habe ich nicht. Wir sind oft morgens früh weggerudert zu den besten Fischgründen und haben kübelweise Fliegenmaden (gesammelt aus der Jauchegrube des Nachbarn) und Engerlinge (gesammelt beim Pflügen auf den Feldern der Nachbarn) ins Wasser geschüttet. Fresswütig haben die Fische dann nicht bemerkt, dass einige einen Haken enthielten. Die Fische haben wir dann im frischen Quellwasser gewässert (damit sie wegen den Abwässern der Städter nicht übel rochen). Ich habe sie dann in einer Brennte mit Wasser in die Stadt geliefert. Beim Glasbrunnen im Bremgartenwald habe ich das Wasser erneuert. Manchmal fuhr ich auch von Haus zu Haus und verkaufte den Landbewohner Fische - Hausieren mit Lebensmitteln war zwar verboten, aber...

Postort ist 3034 Murzelen (jetzt ohne Post), der heute rund 130 Postadressen im Ort und den umliegenden Weilern zählt; die Volkszählung 1950, die auch mich erfasst hatte, meldete 183 Einwohner. Die Postautohaltestelle Illiswil, die ich häufig benutzte, liegt 1,6 km östlich von Steinisweg an der ältesten Postautolinie der Schweiz: Bern-Wohlen-Detligen. Steinisweg, Murzelen und Illiswil liegen in der Gemeinde Wohlen bei Bern, die zu meiner Zeit noch ländlich war.

Der Hof brachte zwar die wichtigsten Nahrungsmittel für die wachsende Familie hervor; das nötige Geld musste aber mit Tagelöhnerarbeiten – vor allem im Wald, aber auch bei Bauern – und durch Fischen im See beschafft werden. Auf dem Markt in Bern verkauften wir Christbäume und Frühlingsblumen. Später nahm mein Vater eine Stelle als "Zentralenhilfsarbeiter" beim Kraftwerk Mühleberg an, das den See vor unserem Haus staut. Was wir alles angebaut haben und was sonst noch kreuchte und fleuchte, weiss ich nicht mehr. Sicherlich aber..

Gras, natürlich nicht zum Rauchen, sondern für die...
Kühe, die wir aus dem Oberhasli beziehen mussten, da unser 300jähriger Stall zu klein war für die seit 1660 gewachsenen Mittellandkühe. (Inzwischen haben die Kühe nochmals 10 cm zugelegt.) Die gaben...
Milch, Nidle und Anke. Damit wir die Milch nicht in die Käserei in Illiswil liefern mussten, hatten wir eine staatliche Bewilligung zum Mästen von...
Kälbern.
Schafe
Heu machten wir auch aus dem Gras, also nicht Geld wie Heu, sondern Heu für die Kühe und die Kaninchen. Vater war als Züchter von Rassekaninchen (z.B. Belgische und Weisse Riesen) Mitglied im Ornithologischen Verein (so hiess der!). Das Vereinsorgan "Die Tierwelt" war neben dem "Tip" (noch mit einem "p", bitte Word-Korrektor!) für Fussballwetten, der Bienenzeitung und dem BGB-Organ "Neue Berner Zeitung" die Hauptlektüre meiner Kinderzeit. Es gab auch noch das "Gelbe Heftli" und das "Blaue Heftli".
Kartoffeln; die assen wir als Rösti zum Zmorge und zum Znacht und die Schweine zwischendurch.
Futterrüben für die Kühe ("Gläck")
Hühner
Schweine
waren Abfallverwerter und Fleischlieferanten. Anfang Winter kam der Störmetzger - ein Bauer, der das konnte - und dann gab es Blut- und Leberwürste und Fleisch für den Winter. Der Vorrat wurde ergänzt durch Rossfleisch vom Pferdemetzger Grunder in Bern. Starb bei einem Bauer eine versicherte Kuh, so konnte das nicht als bankfähig deklarierte Fleisch von den Mitgliedern der Viehversucherungskasse günstig erworben werden - also auch von uns.
Gänse
Fische
Getreide (Gwächs) - Das eigene Getreide reichte nicht das ganze Jahr; wir Kinder durften auf den Felder der Nachbarn Ähren lesen. Das kennen die Heutigen nur noch aus dem Buch Rut oder dem Dritten Buch Mose:

«1  Es war aber ein Mann, ein Verwandter des Mannes der Noomi, von dem Geschlecht Elimelechs, mit Namen Boas; der war ein angesehener Mann. 2  Und Rut, die Moabiterin, sprach zu Noomi: Lass mich aufs Feld gehen und Ähren auflesen bei einem, vor dessen Augen ich Gnade finde. Sie aber sprach zu ihr: Geh hin, meine Tochter! 3  Sie ging hin und las auf, den Schnittern nach, auf dem Felde. Und es traf sich, dass dies Feld dem Boas gehörte, der von dem Geschlecht Elimelechs war.»(Rut 2,1-3)

«Wenn ihr die Ernte eures Landes erntet, so sollst du den Rand deines Feldes nicht gänzlich abernten und sollst keine Nachlese deiner Ernte halten... Für den Armen und für den Fremdling sollst du sie lassen.» (3.Mose 19,9-10).
Äpfel
Birnen (Onkel Ernst, der Baumpfleger, hatte sogar einen Apfelbaum mit einem Ast Birnen)
Kirschen
Trauben
Zwetschgen
Pflaumen
Holunder
Baumnussbäume
Bienen
Fische,
die wir im See fingen und dann beim Haus in Weihern mit frischem Quellwasser sich reinigen liessen
Wasser hatten wir genügend, denn der Tuffstein ist eine frische Kalkablagerung und davon hatten wir im Tuft genug. Das Brunnenwasser stammte aus einem Brunnenschacht im Land des Nachbarn. Einem durstigen Nachbarn lieferten wir Wasser mit einem hydraulischen Widder - klopf, klopf, klopf... (Auch im Spachgraben hatte ein durstiger Nachbar einen Widder eingerichtet.) Fliessendes Wasser hat erst mein Vater ins Haus geleitet.
Weihnachtsbäume: Wir pflanzten und schnitten Tannenbäume unter den Starkstromleitungen, wo hohe Bäume nicht erlaubt waren. Die Setzlinge züchteten wir unser eigenen Baumschule. In der Adventszeit fanden die frisch geschnittenen Bäume auf dem Markt mit meiner Hilfe guten Absatz. Im Frühling holten wir mit dem Velo im Jura Osterglocken, die wir dann auf dem Markt verkauften.
Schwäne hielten wir nicht, weder weisse noch schwarze, aber während einer Seegfrörni flüchtete sich ein Schwan zu uns und wurde von der Mutter gefüttert.
Hunde und Katzen gab es natürlich auch.
Mäuse fühlten sich auch wohl, bis die Nachbarn ihr Getreide droschen und deren Ratten zu uns flüchteten und die Mäuse vertrieben.
Bohnen und Gemüse aller Art pflanzte die Mutter im Garten und auf dem Pflanzblätz.
Schwalben
...

Der grösste Teil des Höfleins war so steil, dass es nur auf Bergbauernart zu nutzen war: Das Heu wurde auf dem Rücken in einem "Heubogen" (Heunetz mit hölzernen Bogen; Funktion: Heutransport , Rückentraggerät) ins Haus getragen. Später zog eine Seilwinde den "Schlittenwagen" ("Schnägg" - hinten Räder und vorne Kufen) und den Pflug bergauf.

So habe ich Erfahrungen in Wald- und Landwirtschaft, im Fischerei- und Branntweingewerbe und in der "Marktwirtschaft". Alkoholfrei waren weder die Familie noch der Hof; Alkohol wurde konsumiert und produziert. Der Hof besass einen eigenen – legalen – Brennhafen; die Familie meiner Mutter besitzt und benützt noch heute eine Brenneinrichtung, mit der sie früher von Bauernhof zu Bauernhof zogen, um die Obstüberschüsse in Branntwein zu verwandeln. (" Gypsy Distillers" nannten das die erstaunten angelsächsischen Alkoholfachleute.) Also, dass auch illegal Kartoffeln gebrannt wurden, ist ein zutreffendes Gerücht; man riecht es nicht, wenn die Nachbarn Bschütti ausführen... (Mohn haben unsere Nachbarn angebaut. Von Hanf war damals nicht mehr bzw. noch nicht die Rede.)

Mit meiner Gesundheit zu kämpfen hatte ich schon in der frühen Kinderzeit: Ich machte alle Kinderkrankheiten so oft durch wie es möglich war. Eine Zeit verbrachte ich im Kinderferienheim "Waldfrieden" (?) im Eriz. (Einige Jahre später und einige Kilometer weiter hinten lernte ich im Ferienheim Wynigen meine Frau kennen.) Ich fehlte deswegen oft in der Schule. In der Sek gab mir einmal der Geschichtslehrer keine Quartalsnote, ich sei ja nie dagewesen. (Die erste Geschichtsstunde habe ich verpasst, da ich den Klassenlehrer missverstand, als er uns am ersten Vormittag in die Mittagspause entliess.) Den Abschluss meiner Krankheitsserie machte ich mit Scharlach. Ich landete im Spital in der Isolierstation, während unser Hof als ganzer isoliert wurde und meine Geschwister die Einweihung des neuen Primarschulhauses verpassten.

Lesen habe ich schon daheim gelernt und las alles, was ich finden konnte, z.B auch die "Neue Berner Zeitung", Organ der BGB. (Heute gibt es weder die Zeitung noch die BGB, sie ist von der Zürcher SVP aufgefressen worden.) Mein erstes damals neues Buch, dass ich 1947 zu Weihnachten erhielt, liegt jetzt neben meinem PC:
 

Ernst Eschmann, Zirkustoni in Afrika

Reisen

Toni war glücklich. Er reiste mit dem Zirkus Wolf in der halben Welt herum. Kaum hatte er recht mit dem ganzen Tross der Wagen in einer Stadt Einzug gehalten und das grosse Viermasterzelt wieder einmal aufgerichtet, die Ränge der Sitzreihen waren im Kreise angeordnet und aufgebaut und die beiden Galerien für die Musikkapellen ausgebaut, hiess es schon: Abschiedsvorstellung! Morgen ist Aufbruch, und übermorgen spielen wir an einem neuen Platz. Das gab jeweilen ein Hasten und Rennen. Noch während in später Stunde die letzten Nummern des Programms abgewickelt wurden, ging bereits eine unsichtbare Bewegung hinter den Kulissen vor. Junge Männer in Hose und Hemd rafften Tücher zusammen, lockerten Schrauben und schichteten Bretter auf Wagen, die bereit standen. Andere machten sich mit den Tieren zu schaffen, trieben sie zusammen, ehe sie ganz die Arena verlassen hatten und führten sie in ihre Wanderquartiere. Traktoren standen bereit, und während das Orchester den Schlussmarsch spielte und die Zuschauer in dichten Scharen den Ausgängen zustrebten, war schon das Aufprotzen in vollem Gange. Die ganze Nacht über wurde beim Licht der Scheinwerfer gearbeitet, und das mächtige Zelt sank in sich zusammen wie ein Kirchweihballon, aus dem alle Luft gewichen ist.

Da gab es doppelte Arbeit für Toni. Er musste um seine Tiere besorgt sein. Keinem durfte ein Leid geschehen, und jedes musste gut verladen werden. Die Übung des bestän-

(Es folgen noch weitere 260 Seiten...)

Die ersten Schuljahre verbrachte ich in Schulen auf dem Lande, in der Primarschule Murzelen waren mehrere Jahrgänge in einer Klasse. Nach der Sekundarschule Üttligen erlaubten Stipendien und die Grosszügigkeit meiner Eltern mir den Besuch des Literargymnasiums in der Stadt Bern mit Latein, Griechisch und etwas Hebräisch (Die Anfangsgründe von Italienisch und Englisch genoss ich in der Sekundarschule.) und später das Studium an der Universtät Bern.

Die Primarschule Murzelen lag 20 Minuten querfeld- und querwaldein bergwärts. Im Sommer kamen die Schüler barfuss in die Schule; im Winter trugen sie Holzschuhe. Die Schule hatte 2 Klassen für 9 Schuljahre: Die ersten vier Jahre wurden zusammen von Marie Schweingruber unterrichtet, die restlichen fünf Jahre unterrichtete Emil Rösch. Als ich in die Schule kam, konnnte ich bereits lesen und wenn wir das Lesebuch einfassen mussten, so brachte ich es eingefasst und gelesen in die Schule. Wie die Lehrerin mich didaktisch erfasste, weiss ich nicht mehr.

Bei meiner Mutter weiss ich mehr: Als ich konfirmiert wurde, stellte ich fast, dass sie 25 Jahre vor mir konfirmiert worden, aber nur 24 Jahre älter als ich war. Die Schule Matzwil war seinerzeit der Meinung, sie habe alles gelernt, was die Lehrer zu bieten hätten und verabschiedeten sie mit allen Ehren. 1956 wurden die Dorfschulen von Murzelen und Innerberg (9 Jahrgänge in einer Klasse, Lehrer Ernst Brönnimann) zusammengelegt. Im neuen Schulhaus werden jetzt nur noch die ersten 6 Schuljahre unterrichte (oder auch nicht mehr...).

Die Sekundarschule Üttligen war 45 steile Velo-Minuten von zu Hause entfernt. Öffentlichen Verkehr und Schulbusse gab es damals noch nicht. Der Schulweg war sehr lang und bei schlechtem Wetter schwer benutzbar. Einmal hat ein Lehrer mich sogar angerufen und gesagt, ich brauche nicht in die Schule zu kommen; es habe zu viel Schnee!!! Die Schule hatte 4 Klassen für 4 Jahrgänge (denn die weiten Wege waren den 5.-Klässlern nicht zuzutrauen) und 4 Lehrer. Jeder der Lehrer bemühte schon seit Jahrzehnten sich (mit Erfolg!) den Stoff für 5 Jahre in diesen 4 Jahren zu unterrichten. (Was ich in der Chemie lernte, erlaubte mir im Gymnasium, dem Chemielehrer sein Lehren und Leben etwas zu erleichtern. Als "Dank" besuchte er meine Maturprüfung in Geschichte, wo ich Hitlers Parteiprogramm zu analysieren hatte.) Völlig ausser Lehrplan unterrichtete unser Klassenlehrer in der Sek Italienisch; es sei von Vorteil, meinte er, zum Umgang mit den Fremdarbeitern deren Sprache können. Noch heute kann ich den Sketch auswendig, den ich am Examen vortrug:

Non hai nessun' fratello? – Nessuno.
Non hai nessuna sorella? – Neppuro.
E allora, con chi ti diverti? (Mit wem zankst Du dann?)

Im Lehrplan hingegen vorgesehen war das halbe Jahr Englisch, das ich dann durch Latein ersetzte, als ich mich auf das Gymnasium vorbereitete. Meine Schulbildung war etwas gebrochen: Fünf Jahre Primarschule, drei Jahre Sekundarschule – des Lateins wegen musste ich dann nach Bern weiterziehen und das 8. Schuljahr mit neuem Lehrstoff "wiederholen". Nach drei Jahren trat ich also in die 4. und letzte Klasse des Progymnasiums in Bern ein. (Bern war weit weg und so benutzte ich Velo, Postauto oder Töffli.) Darauf folgten 4 ½ Jahre Gymnasium in Bern. (In der kantonalen Schulstatistik war ich während der Zeit als Einzelner zu finden als "Schüler im Literargymnasium aus der Gemeinde Wohlen". Abgelöst wurde ich dann als Einzelfall von einem Bauernsohn auch aus Steinisweg. (Ein kluges Dorf!) Somit hatte ich 1 Jahr mehr Schulzeit hinter mich gebracht als üblich war, ohne ein Jahr zu wiederholen oder den gleichen Stoff zweimal zu studieren. Ein absolutes Nulltalent war ich in Zeichnen, Schönschreiben, Singen* und Sport. Fotografieren und Radiohören mussten als Ersatz dienen.

* Mein Klassenlehrer in der Sekundarschule hatte bald begriffen, dass bei mir mit Singen nichts zu machen war und betraute mich mit dem Transport von Milch, mit dem Grasmähen für die Kaninchen, später mit der Korrektur von Französischproben. Auf den Vorwurf, nur gute Sänger hätten gute Noten, antwortete er: "Muster im Singen Note 3, im Französisch Note 6." Der Musikunterricht im Gymnasium richtete sich an die Kinder aus dem gehobenen Bildungsbürgertum: z.B. wurden verschiedene Interpretationen von Beethoven verglichen – für mich chinesisch. So blieb mir der Zugang zur klassischen Musik bis ins höhere Alter verschlossen: Einen ersten Schock erlebte ich 1987 am Kongress "100 Jahre Esperanto" in Warschau, wo ich feststellte, dass man nicht stundenlang ein ganzes Klavier- oder Violinkonzert absitzen muss, sondern dass ein Ausschnitt daraus ganz angenehm zu hören wäre. Turi Schellenberg befreite mich dann mit seinem "Klassischen Blumenstrauss" auf Radio Eviva. Tanzen kann ich übrigens ebenso gut wie Singen.

In meiner Freizeit war ich kurze Zeit in der "Jungen Kirche" unserer Kirchgemeinde Mitglied und bei Ferienlagern im Ferienhaus des CVJM in Kandersteg als Hilfsleiter tätig. Etwas Geld brachte meine Tätigkeit als Holzfäller (bei der Statistik über die neu eingeführte Februar-Ferienwoche bildete der Klassenlehrer im Gymnasium eine neue Kategorie "Bäume gefällt") und als Securitas-Wächter ein: in einer Druckerei in Laupen und Neubau des Bahnhofes Bern – dessen Standort ich früher politisch bekämpft hatte; ich war für die Laupenstrasse.

Die Universität Bern konnte ich auch mit Hilfe eines Stipendiums besuchen. Ich wurde zum Sekundar-Lehrer ausgebildet – Sprachen, Geographie, Geschichte, Nationalökonomie und Religion. (Lange vor Bologna mussten wir auswärts Französisch studieren; ich wählte Lausanne und Paris.) Später besuchte ich noch Vorlesungen in Geschichte an den Universitäten in Freiburg (Auswärtssemester lange vor Bologna obligatorisch) und Athen.

Nur kurze Zeit übte ich meinen Beruf aus – in Sumiswald im Emmental, im Kinderdorf Pestalozzi in Trogen* und in Athen – bis mit 30 Jahren mein Leben eine entscheidende Wende nahm.

* Das war ein Zwischenspiel: Als Vorbereitung auf Griechenland arbeitete ich in Zivildienstlagern in Hilterfingen BE (Altersheim Magda) und in Spinas GR (Blindenferienheim). Dazwischen absolvierte ich einen WK, in dem mich mein Leutnant für eine Stellvertretung im Kinderdorf engagierte. Als ich vier Jahre später danach wieder an der UNI Bern auftauchte, fragte mich der Professor für Schweizer Geschichte, Hans von Greyerz, wie es mir in Trogen gefallen hätte. Er war damals Stiftungsrat des Kinderdorfes und hatte ein fabulöses Gedächtnis. Übrigens habe ich Jahre nach meiner Tätigkeit in Trogen an einer Börse einen schön frankierten und schön abgestempelten Brief gekauft, der an meinen Leutnant und Lehrer in Trogen adressiert war...

Doch vorher suchte ich das Land der Griechen nicht nur mit der Seele1), sondern lebte 2 Jahre (1961/63) im Griechenland "ohne Säulen"2)- als Bauhandlanger in einem Zivildienstlager für Militärdienstverweigerer, als Zeitungskorrektor und als Deutschlehrer. (Einmal wurde ich wegen Schwarzarbeit verurteilt, einmal wegen Spionage verhaftet, aber wegen erwiesener Unschuld freigelassen.) Ich bewunderte Mikis Theodorakis, den ich treffen durfte, und bangte um das Leben von Grigoris Lambrakis ("Z")3), der für seinen Einsatz für die Demokratie umgebracht wurde. Mehr darüber in 1961/63 im Griechenland ohne Säulen.

Als bewusster Staatsbürger habe ich mich immer politisch engagiert: für konsequenten Naturschutz (im "Rheinaubund"), für die Teilnahme der Schweiz an der europäischen Einigung (im "BEJ - Bund Europäischer Jugend"*), für Gerechtigkeit im Staat und der Wirtschaft, für die Lebensreform (Ehrenmitglied der o.n.s), für die freie Wahl zwischen Militär- und Zivildienst (im "Service Civil International")**, für die Internationale Sprache "Esperanto"...

* Meine erste Aktion im BEJ war eine Sammelaktion zugunsten der Erdbebenopfer in Nordgriechenland. Eines der eindrücklichsten Erlebnisse auf der Maturreise nach Rom war der Besuch des Raumes, in dem einige Monate zuvor die "Römer Verträge" unterzeichnet worden waren.

**Mit der Einführung des Zivildienstes als Alternative zum Militärdienst am 1. Oktober 1996 ging einer meiner politischen Wünsche in Erfüllung.

Ganz vergessen habe ich meine militärische Karriere, die ich neben dem freiwilligen Zivildienst zu erfüllen hatte. Im Sommer 1958 wurde ich in einer Infanterierekrutenschule zum Panzerbekämpfer ausgebildet, und u. a. – oh Schande! – zum Legen von Personenminen. Die Wiederholungskurse absolvierte ich in der traditionsreichen Gebirgsschützenkompanie 3, zuerst als Schütze – nicht als Füsilier! – dann als Nachrichtensoldat vom Jura bis nach Graubünden, schliesslich in der Zivilschutzanlage Ecublens. Die Weiterbildung zum Unteroffizier usw. verpasste ich wegen Examensstress und Auslandsaufenthalten, bis ich dafür zu alt war...
Seit über 50 Jahren habe ich 3 staatspolitische Anliegen:

- Das Erwachsenenstimmrecht: Bei der ersten Volksabstimmung (am 1. Februar 1959) hatte ich Urnendienst und sah wie bei  schlechtestem Winterwetter die Männer - damals natürlich ohne Autos - zum Schulhaus hinauf kraxelten, um gegen die Frauen zu stimmen, die inzwischen das Mittagessen kochten. (In der letzten Januarwoche behandelte Professor Hans von Greyerz die Forderungen des Landesstreikes von 1918 und erklärte: "Über das Frauenstimmrecht wurde erstmals am 1. Februar 1959 abgestimmt")
Am 7. Februar 1971 wurde die Vorlage vom männlichen Stimmvolk angenommen. Als wir 1967 ins Welschland zogen, konnte meine Frau sofort abstimmen und wählen. Am 1. Februar 1959 hatte nämlich der Kanton Waadt als erster Kanton das Frauenstimmrecht angenommen.

- Den Zivildienst: Einmal wechselte ich über das Wochenende vom freiwilligen Zivildienst mit Militärdienstverweigern in den Militärdienst (Spezialität: Verlegen von Antipersonen-Minen) und zurück. Auf den 1. Oktober 1996 trat endlich das Bundesgesetz über den zivilen Ersatzdienst in Kraft.

- Europa: Noch immer warte ich darauf, dass die Schweiz bei Europa mitmacht. Wir vom "Bund Europäischer Jugend" hatten damals etwas anderes im Sinn als was Brüssel heute bietet. Lange habe ich bei Vorträgen in Europa erklären müssen, der weisse Fleck mitten Europa sei ganz wichtig: Erst das Loch in der Mitte mache das Rad zum Rad...

Ein einziges politisches Amt habe ich bekleidet: Von 1974 - 1977 war ich vor der Erfindung der Grünen als Vertreter einer Bewegung für den Umweltschutz Mitglied des Gemeindeparlamentes von Ecublens.
(Rückblick 2011)

Zu einem pflichtbewussten Staatsbürger gehört natürlich auch ein parteipolitisches Engagement: Ich war (im Kanton Bern) aktives Mitglied in der Liberal-sozialistischen Partei LSPS ("Natürliche Wirtschaftsordnung" nach Silvio Gesell, heute INWO), im Landesring der Unabhängigen (Gründer Gottlieb Duttweiler) und (im Kanton Waadt) der "Volksbewegung für die Umwelt" (eine Frühform der Grünen). Für die Liberalsozialisten gründete ich im Berner Jugendparlament eine Fraktion und war später Mitglied des Landesvorstandes der Partei. Mehr darüber in Politik: Freiwirtschaft und über meinen politischen Mentor Fritz Schwarz . Für den Landesring kandierte ich erfolglos für einen Sitz im Nationalrat. Mit den "Frühgrünen" sass ich 1973-1977 im Gemeindeparlament von Ecublens.

1) Johann Wolfgang von Goethe: Iphigenie auf Tauris, Erster Aufzug, Erster Auftritt
Iphigenie:
"So manches Jahr bewahrt mich hier verborgen
Ein hoher Wille, dem ich mich ergebe;
Doch immer bin ich, wie im ersten, fremd.
Denn ach! mich trennt das Meer von den Geliebten,
Und an dem Ufer steh ich lange Tage,
Das Land der Griechen mit der Seele suchend;

Und gegen meine Seufzer bringt die Welle
Nur dumpfe Töne brausend mir herüber.
Weh dem, der fern von Eltern und Geschwistern
Ein einsam Leben führt! Ihm zehrt der Gram
Das nächste Glück vor seinen Lippen weg,
Ihm schwärmen abwärts immer die Gedanken."
2) Gaitanides, Johannes: Griechenland ohne Säulen, 1955
"Mehr als tausend Jahre nach christlicher hellenischer Unseligkeit umgreift die Darstellung des Deutsch-Griechen Gaitanides. Auch ihm eignet jene Sachlichkeit, ja Unbestechlichkeit des Darlegens und Erweisens, die seinem grossen Vorgänger Thukydides gelang. Wir behaupten nicht zuviel, wenn wir sagen, dass dies Buch eines der notwendigen in der Begegnung Deutschland-Griechenland ist. Schonungslos ehrlich wird der Finger auf die Wunde gelegt, und die hirnvernebelnde Tempel- und Götterschwärmerei, der wir seit Jahrzehnten frönen, wird zerblasen." (Werner Helwig, FAZ ). Eine Beschreibung der Geschichte des griechischen Volkes, Armut in Marmor gefasst, von Hellas nach Griechenland. Der Verfasser stellt die Geschichte des modernen Griechentums dar und weist auf die häufig unterschlagene nachantike byzantinische Tradition hin, die das moderne Griechentum stärker prägt als die klassische Antike.
Werner van Gent, Paul L. Walser, Zimt in der Suppe. Überraschendes Griechenland, Zürich (Rotpunktverlag) 2004
"Das Buch entspricht, zum mindesten im deutschen Sprachraum, einem dringenden Bedürfnis. Das immer noch zitierte Griechenland-Buch von Eckhart Peterich ist in der Konzeption gut 50 Jahre alt, und manchmal beruft man sich sogar noch auf die romantisch-verklärenden Betrachtungen, die Erhart Kästner als Angehöriger der deutschen Besatzungsmacht weitab vom Schuss verfasst hat. Werner van Gent und Paul Walser sind als langjährige Griechenland-Korrespondenten ausgewiesene Kenner der Materie." (Schweizerischer Altphilologenverband)
3) Vassilis Vassilikos "Z"
"Z" steht für „er lebt“ und bezieht sich auf den griechischen Parlamentsabgeordneten Grigoris Lambrakis, der am Abend des 22. Mai 1963 in Thessaloniki mit einem dreiräderigen Kleintransporter umgebracht wurde. Da er als Abgeordneter nicht verhaftet werden durfte, konnte er als Einziger bei Demonstrationen marschieren, Z.B. an einem Friedensmarathon oder am. 22. Mai in Saloniki. "Der abscheulichste politische Mord, der Griechenland erschütterte und noch erschüttert“ lautete der Untertitel des Politthrillers in der Athener Zeitschrift "Tachydromos“, die im Herbst 1966 den ersten Teil des Buches in sechs Fortsetzungen als Vorabdruck brachte. Politischer Hintergrund ist das polizeistaatliche Regime von Ministerpräsident Karamanlis. Die Ermordung des pazifistischen Demokraten, Universitätsprofessors, ehemaligen Spitzensportlers und angesehenen Arztes Lambrakis brachte das herrschende System ans Licht, das seitdem in Griechenland "Überregierung“ genannt wird und von Geheimdienst, amerikanischen Dienststellen und sogenannten "Beratern“ bestimmt war. Der Sturz von Ministerpräsident Karamanlis 20 Tage nach den Ereignissen in Thessaloniki beendete diese "Überregierung“ nicht, sondern führte – nach einem von Georgios Papandreou eingeleiteten Prozess der Demokratisierung – zum (vom CIA unterstützten) Putsch der "Obristen“ am 21. April 1967 und zur blutigen Diktatur. Mikis Theodorakis gründete zu Ehren seines Mitkämpfers die "Demokratische Jugend Lambrakis" und wurde deswegen vom Regime der Obersten inhaftiert.

Friedrich Schiller Don Carlos, Vierter Akt, Einundzwanzigster Auftritt,
Marquis von Posa
"... Sagen sie Ihm, dass er für die Träume seiner Jugend
Soll Achtung tragen, wenn er Mann sein wird,
Nicht öffnen soll dem tötenden Insekte
Gerühmter besserer Vernunft das Herz
Der zarten Götterblume – dass er nicht
Soll irre werden, wenn des Staubes Weisheit
Begeisterung, die Himmelstochter, lästert."


Teil 2: Die Suche nach dem Weg

Die Lektüre des Blaukreuzkalenders, der durch meine Lehrerin vertrieben wurde, weckte in mir Zweifel am Sinn des Alkoholkonsums und führte mich zur Abstinenz. Bis heute bin ich als Leser und als Autor dem Blaukreuzkalender treu geblieben. Meinen Weg fand ich aber durch die Lektüre des Guttemplerkalenders. Geleitet von Heinz Ries fand ich im November 1956 den Weg in die oppositionelle Guttempler-Jugendorganisation "Union der Jungen Generation" (UJG) und trat im folgenden Jahr der "Guttemplerloge Berna" in Bern bei, bei der ich später für kurze Zeit die Leitung übernahm.

IOGT INTERNATIONAL (Internationale Organisation der Guttempler) ist eine Organisation von Männern und Frauen, welche die Ideale von Abstinenz, Frieden und Solidarität verbreiten wollen. IOGT ist die grösste internationale, nicht-staatliche Organisation, die auf dem Gebiet der Enthaltsamkeit von Alkohol und anderen Drogen sowie der Bekämpfung von Alkoholproblemen und anderen Drogenproblemen arbeitet.
Das Ziel der im Jahre 1851 gegründeten IOGT ist, allen Menschen dieser Erde aus Abhängigkeit zu lösen und ihnen ein reicheres, freieres, lohnenderes Leben zu ermöglichen. Um dieses Ziel zu erreichen, setzt sich IOGT für eine Lebensweise frei von Alkohol und anderen Drogen ein. Die IOGT ist sich bewusst, dass gesellschaftliche Probleme ein globales Vorgehen erfordern. Deshalb ist IOGT engagiert in Friedens- und Entwicklungsarbeit und befürwortet die Grundsätze von Menschenwürde, Demokratie, Toleranz und Gerechtigkeit für jede Gesellschaftsstufe.

Das Jahr 1956 ist eines der Jahre, das sich in meinem Gedächtnis tief eingeprägt hat: Parteichef Nikita S. Chruschtschow enthüllt die vom ehemaligen Staats- und Parteichef Josef W. Stalin begangenen Verbrechen. Es folgen der Aufstand der Posener Bevölkerung und im Oktober der Volksaufstand in Ungarn: betrogene Hoffnungen. Am 4. November rollten sowjetische Panzer in Ungarn ein. Im selben Monat lasen wir im Griechisch-Unterricht die Antigone 4). Die Organisation der Guttempler brachte mir Antworten auf viele Fragen und Wünsche.

In den Jahren ab 1957 besuchte ich regelmässig Winterlager der Deutschen Gutemplerjugend und Sommerlager des Mitteleuropäischen Guttempler Jugendrates (MEGJR). In Erinnerung geblieben ist mir neben vielen andern Werner Liptow, der für mich die Personifizierung des Mitmenschlichen im IOGT bedeutete.

Ich trat noch anderen Abstinenzvereinen bei: dem Schweizerischen Verein abstinenter Lehrerinnen und Lehrer, dem Schweizerischen abstinenten Verkehrsverband, der Schweizerischen Abstinenten Burschenschaft (einmal ASBx, jetzt AH Sequaniae Bernensis).

Nach meiner Rückkehr aus Griechenland wurde ich in den Landesvorstand von IOGT Schweiz gewählt, dem ich von 1967 - 2000 angehörte, zuerst als Leiter des Bildungswesens, dann aber als Verantwortlicher für Öffentlichkeitsarbeit und für Alkoholpolitik. In diesen Jahren waren die Guttempler – auch Dank der Guttempler-Jugend und der Mitarbeit meines Arbeitgebers – ein bedeutender Mitspieler in der Lobbytätigkeit für eine gesundheitsorientierte Alkoholpolitik. Im Jahre 1998 liess ich mir vom Vorstand den Auftrag erteilen, im Internet die Seite iogt.ch zu errichten, die ich bis 2006 redaktionell und technisch betreute. Auch nach meinem Rücktritt aus dem Vorstand brachte ich bei den Jubilarenehrungen historische Rückblicke. (Einen Blick auf mich finden sie hier:)
Wanderpreis 2007, verliehen von IOGT Schweiz:
"Ich nehme es gleich vorweg: Auguste Forel hätte seine helle Freude daran, dass wir heute dieses Mitglied mit seiner Medaille ehren. Es ist mir nicht bekannt, dass unser Mitglied etwas von Ameisen versteht, aber es hat einen Hang zur Präzision und zur Detailtreue. Der Forscher Forel fände auch die Neugier unseres Mitgliedes bemerkenswert, er würde allerdings über den wissenschaftlich nicht immer einwandfreien Umgang mit der Sprache die Stirne runzeln. Gleichzeitig würde Forel zufrieden sein mit der Gradlinigkeit und Hartnäckigkeit, die genauso wenig fanatisch daherkommt wie Forel selber sich gesehen hat. Forel fände sicher, dass die gemeinsame Leidenschaft des Sammelns eine Seelenverwandtschaft aufzeigt. Tatsächlich ist unser Mitglied kein Jäger sondern ein unermüdlicher Sammler, dessen Objekte aber nicht im naturwissenschaftlichen Museum landen. Das Sammeln und Vergleichen ist die Grundlage jeder Ameisenforschung und wie wir von unserem Mitglied wissen, auch von jeder anderen seriösen Zusammenstellung von Fakten. Unser Mitglied grübelt zwar, doch Forscher wollen wir es nun doch nicht nennen. Forel hat immer auch über den Tellerrand hinaus geschaut, er hat sich mit anderen Forschern vernetzt und war international tätig. Das Gleiche können wir von unserem Mitglied sagen, es hat jahrzehntelange Vernetzungsarbeit unter den Abstinentenorganisationen geleistet. International sind seine Fussabdrücke quer über Europa verteilt. Genau wie Forel hat auch unser Mitglied Verantwortung in Vorständen übernommen und die Geschicke von IOGT mit beeinflusst. Auguste Forel forderte die Abschaffung des Alkoholhandels und treu seinem Vorbild ist unser Mitglied eine anerkannter Kenner der Alkoholindustrie und der Alkoholpolitik.
Spätestens, wenn die Gemeinsamkeiten noch deutlicher aufgeführt werden, damit dass beide berühmt wurden durch ihre Hüte, die sie tragen, oder dass beide deutsch und französisch sprechen, der eine Waadtländer in Zürich und der Berner im Waadtland lebte, ist klar, dass mit Forel heute Eduard Muster geehrt wird. Bei so vielen Gemeinsamkeiten gibt es aber auch Unterschiede. So reiste Edi Muster meines Wissens noch nicht mit dem Dampfer und dem IOGT-Präsidenten an eine Versammlung. Und Auguste Forel hatte nicht genügend Fantasie, um sich vorzustellen, was der einst Edi Muster alles im Internet veröffentlichen würde über die Alkoholfrage. Sicher ist, er wäre sehr einverstanden mit der Ehrung von Edi Muster als Guttempler, der mit 20 Jahren anfing über die Gefahren des Alkoholkonsum nachzudenken und dann sehr viel darüber schrieb und seine berufliche Arbeit ganz in den Dienst der Menschen stellte, die unter dem Alkohol leiden. Edi Muster, du bist ein würdiger Nachfolger von Auguste Forel und es freut mich sehr, dir diese Medaille als Anerkennung für all deinen Einsatz übergeben zu dürfen.
(9./10. Juni 2007 Priska Hauser-Scherer)

Im Jahre 1970 wurde ich am Weltkongress in Istanbul als Nachfolger von Dr. Robert Joos in den Internationalen Vorstand gewählt; der bulgarische Botschafter Dimitri Bratanow - Botschafter in Bern! - war der Ansicht, das Land von Forel und Bunge müsse vertreten sein. Am Weltkongress 1986 in Zürich trat ich, unterdessen Vizepräsident geworden, von meinem Amt zurück. Zum Abschied wurde mir die Ruben Wagnsson-Medaille verliehen.
Mit Referaten bei den deutschen Guttemplern versuchte ich, für die schönen Jahre meiner Jugend zu danken. Im Gedächtnis geblieben ist mein erster Satz an einem alkoholpolitischen Seminar in Hamburg: "Jederzeit erhältlich sind in Deutschland nur Alkohol und Sex." Und zu welchen Preisen und mit welchen Folgen!

4) Sophokles Antigone: Seit langem gilt der antike Mythos über Antigone als Symbol für sittliches Recht. Antigone war der Sage nach die Tochter des Ödipus, über die sich der Fluch der Götter legt, nachdem ihr Vater Ödipus - wie es das Orakel geweissagt hatte - den Vater getötet und die Mutter geheiratet hat. Ihre Brüder erschlagen sich gegenseitig im Kampf um Theben. Antigone widersetzt sich dem Gebot des neuen Königs, ihres Onkels Kreon, den Bruder als Verräter unbeerdigt liegen zu lassen. Sie bedeckt ihn zweimal mit Erde. Wegen dieser Widersetzlichkeit wird sie gefasst und verurteilt. Sie verliert ihr Leben und beklagt das; sie erkennt, dass die Wahrheit sie nicht rettet und hält doch an ihr fest, ohne die Hand gegen die Macht zu erheben. Antigone bekennt sich programmatisch zur Liebe: "Nicht mitzuhassen, mitzulieben bin ich da" (523), tritt aber dramatisch durch Provokation, Widerstand und Protest in Erscheinung. Ihre Haltung ist selbst ein Beispiel des Widerstreits und wird von ihr auch in einem bewegenden Monolog (925) vor dem verordneten Tod so empfunden:
"Heiss ich doch, weil ich fromm war, Frevlerin!
Ja, wenn es den Göttern wohlgefällt,
Dann seh ich ein: Ich leide, weil ich fehlte.
Doch fehlten diese, treffe sie nichts Ärgres,
Als was sie wider Recht an mir getan!"

Teil 3: Der Ernst des Lebens

Im Frühjahr 1967 verlegte ich das Zentrum meines Lebens aus der Region Bern in den französischsprachigen Kanton Waadt. Seither lebe ich mit der gleichen Frau (Ruth) in der gleichen Wohnung und bin im gleichen Institut tätig.* Dazu kamen 1970 und 1974 je ein Sohn: Daniel gehört heute ein kleines Fotostudio mit Labor; er hat zwei eidgenössische Fähigkeitsausweise erworben: als kaufmännischer Angestellter und als Fotograf. Eric ist Dr. iur, Advokat und Lehrbeauftragter an der Uni Lausanne.

Die "Zentralstelle gegen den Alkoholismus (SAS), später "Schweizerische Fachstelle für Alkohol- und andere Drogenprobleme (SFA-ISPA)" in Lausanne hat mich nicht losgelassen. Meine ersten Kontakte mit der SAS hatte ich schon im Vorjahr während der Volksabstimmung über die Landesring-Initiative für die Besteuerung aller Alkoholika geknüpft. Und auch nach meiner Pensionierung im Jahr 2000 arbeite ich mit Markus Wieser im Archiv der SFA.

*Spasseshalber erkläre ich gelegentlich, wir seien 1967 "in die Kolonien" gezogen. Der Kanton Waadt gehörte nämlich bis 1798 zum Herrschaftsbereich der Stadt Bern und es ging den Wadtländern nicht besser und nicht schlechter als den Untertanen im heutigen Kanton Bern, zu denen meine Vorfahren gehörten. Besser als meinen Vorfahren ging es den nicht wenigen Waadtländer Vornehmen und Reichen.


Daten zur Geschichte der SFA (1966-2003)

1966: Markus Wieser, seit 1962 Redaktor der Zeitschrift "Die Freiheit", wird auf den 1. November Direktor der Zentralstelle (bis 1988). Die SFA hat 10 ständige Mitarbeiter. Dokumentarfilm "Freund Alkohol" produziert. (Meine ersten Kontakte zur SAS durch Lektüre der "Freiheit", Hünigerkurs und Volksabstimmung)
1966: Die Zentralstelle ist Fachsekretariat der vom LdU gestarteten Initiative zur Besteuerung aller alkoholischen Getränke; die Initiative wird abgelehnt. Nach der Ablehnung fragt Nationalrat Willy Sauser in seiner Interpellation den Bundesrat, wie der von ihm vorgeschlagene "bessere Weg" zur Lösung der Alkoholprobleme aussehen soll.
1967 "Alkohol heute" von Josef Odermatt, eine Kleinenzyklopädie der schweizerischen Alkoholprobleme, erscheint. Schweizerisches Komitee gegen den Alkoholismus, Präsident Prof. Meinrad Schär, 500 Mitglieder. Erfolgreiche Kampagne gegen den Alkoholausschank in Autobahnrestaurants
1967, 1. April Eintritt von Eduard Muster als Redaktor der "Freiheit" (bis 1973, später stv. Direktor, Pensionierung 2000)
1969 Die SAS organisiert die Aktion "Gesundes Volk – A 69", eine gesamtschweizerische Grosskampagne zur Förderung des Gesundheitsbewusstseins und der Lebensqualität auf den Gebieten Alkohol, Tabak, Medikamente, Drogen, Ernährung und Bewegung. Eine darauf aufbauende Wanderausstellung zirkuliert in 4 Exemplaren in der Schweiz und sogar in Österreich.
1970 Am 6. November zeigt das Schweizer Fernsehen den mit beratender Unterstützung der SAS von Kurt Gloor hergestellten Film "EX!", der bei Politikern einen gewaltigen Sturm im Bierglas entfachte. Der Film befasst sich in staats- und gesellschaftskritischer Weise mit dem Alkoholproblem – es ist ja kurz nach den 68ern. Gloor hat auch den Marxisten "Dr. Mabuse" zitiert, wie ein Urner Ständerat Marcuse nannte.
Am 27. November 1970 erhält J. Odermatt den Titel eines Dr. med. h. c. der Universität Basel
1971 Beginn der sozialwissenschaftlichen Forschungstätigkeit in der Zentralstelle (Peter Wüthrich).
1972 120 Jugendliche, die am polysportiven Test "Schweizer Jugend in München SJM" nach der A 69 teilgenommen haben, reisen an die Olympischen Sommerspiele.
1973 Nationalrat Walter Renschler, Leiter der schweizerischen Delegation in der parlamentarischen Versammlung des Europarates, reicht ein Postulat ein, das die Übernahme der Empfehlungen des Rates zur Alkoholpolitik verlangt.
1973 Joseph Odermatt (1890 – 1977), Mitarbeiter seit 1919 und Ida Odermatt-Sury (1911 – 2004), Mitarbeiterin seit 1929, werden pensioniert.
1974 Grossaktion A74 "Gesundes Volk". Nach der Aktion wird von der Guttempler-Jugend eine "Volksinitiative gegen die Suchtmittelreklame" lanciert.
1974 ASA - Arbeitsgemeinschaft Schweizerischer Abstinentenorganisationen (bis 2005)
1974 "Nicht der Einzige" - Film von Ernest Ansorge, Drehbuch Walter Mathias Diggelmann
" Santé" - Film zur akuten Alkoholwirkung
1975 Ein Paradigmenwechsel von der Alkoholbekämpfung zur Alkoholismusverhütung bahnt sich an. Die SAS teilt ihre Tätigkeit in "Abteilungen" auf.
1975 Aktion 0,5 Promille; der Nationalrat lehnt ein Postulat Zwygart ab. (30 Jahre vergehen bis zum Erfolg!)
1976 Namensänderung in SFA "Schweizerische Fachstelle für Alkoholprobleme" und ISPA "Institut suisse de prophylaxie de l'alcoolisme".
1976 Erste Repräsentative Studie über das Trinkverhalten der erwachsenen Bevölkerung, die unter dem Namen "Trend" regelmässig wiederholt wird. Das Erstaunen in den Medien und bei den Fachleuten ist gross: 10% der Erwachsenen trinken 50% des Alkohols.
1977 Die SFA führt als Jubiläumsaktion zum 75. Jahre ihres Bestehens ihr erstes Schweizerisches Seminar über Alkoholprobleme durch, das seither alle 2 Jahre wiederholt wird.
1978 Erste Gesamtschweizerische Repräsentativerhebung zum Alkohol- und Tabakkonsum der 12- bis 15jährigen Schüler, die später in Zusammenarbeit mit der WHO regelmässig wiederholt wird.
1978 Die SFA bezieht ihr eigenes Haus an der Avenue Ruchonnet 14.
1978 Die SFA wird Sekretariat der "Initiative gegen die Suchtmittelreklame" ("Guttempler-Initiative"), die 1979 vom Volk abgelehnt wird.
1982 Schweizerischer Rat für Alkoholprobleme SRA (bis 1988)
1987 Für das Buch "100 Jahre Alkoholgesetz", herausgegeben von der Eidg. Alkoholverwaltung, hat Markus Wieser einen Artikel zum Thema "Verhütung von Alkoholproblemen" verfasst.
1988 Richard Müller (Leiter der Forschungsabteilung 1976 bis 1986) tritt am 1. Juni die Direktion an (bis 2003).
1991 Am 16. November 1991 beschliesst die Mitgliederversammlung eine Ergänzung des Namens; die SFA hatte sich allerdings schon seit den frühen 70er Jahren mit allen Drogenproblemen befasst: SFA - Schweizerische Fachstelle für Alkohol- und andere Drogenprobleme ISPA - Institut suisse de prévention de l'alcoolisme et autres toxicomanies ISPA - Istituto svizzero di prevenzione dell'alcolismo e altre tossicomanie ISPA - Institut svizzer per problems d'alcohol e d'autras drogas.
1992 Am 19./20. 1992 kommt die SFA ins Guiness Book of Records: Sie stellt in Wohlen (AG) die grösste Decke der Welt aus: 150'000 Wollquadrate, eines für jeden Alkoholkranken.
1993 Die SFA setzt sich für die " Zwillingsinitiativen " ein, die ein Verbot der Alkohol- und Tabakwerbung forderten. Die Initiative wird von Volk und Ständen abgelehnt.
1996 Die SFA führt u. a. 2 Öffentlichkeitskampagnen durch: "Alkohol im Alter" und "Ecstasy ist hirnrissig". Das Seminar, alle 2 Jahre durchgeführt, steht unter dem Thema "Lust am Risiko: Eine Herausforderung für die Drogenprävention".
1997 Die SFA ist seit Juni 1997 auf Internet: http://www.sfa-ispa.ch/
1997 Die SFA wird von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) als "WHO-Kooperationszentrum für Forschung, Prävention, und Dokumentation im Bereich Substanzenmissbrauch" anerkannt.
1997 Erster Nationaler Tag der Solidarität mit alkoholkranken Menschen: 13. November 1997 1998 Das 11. Seminar der SFA hat das Thema "Alkohol, illegale Drogen und Gewalt". Die SFA setzt sich mit einer Petition (zusammen mit 40‘000 Unterzeichnenden) für eine vernünftige Drogenpolitik ein, und drückt damit ihre Besorgnis über die zunehmende Vermarktung der Alcopops bei Kindern und Jugendlichen aus.
1999
"La Fête des Vignerons": Die SFA ist auf dem Winzerfest von Vevey mit einer vielbeachteten Präventionsaktion dabei.
Der dritte Schweizerische Alkohol-Aktionstag mit dem Thema "legal aber nicht egal" findet wieder unter der Leitung der SFA statt.
1999 Zum 1. Juli werden die WTO-konformen Spirituosensteuern eingeführt, was eine z. T. massive Senkung der Preise für ausländische Spirituosen mit sich bringt. Die SFA evaluiert die Folgen dieser Preissenkung mit einer umfangreichen Begleitforschung.
1999 Mit der CD-Rom "Mission Golath" ist die SFA einmal mehr Wegweiserin im Einsatz neuer Medien in der Prävention.
2000 Das 12. SFA-Seminar "Alkohol und Tabak im Jugendalter: Die Prävention im Abseits" hat grossen Erfolg.
2001 Der TÜV (Technische Überwachungsverein) hat der SFA Anfang Januar nach eingehender Prüfung das offizielle Qualitätszertifikat der ISO (International Standard Organisation) erteilt.
2002 Die SFA feiert ihr hundertjähriges Bestehen! Vom Abstinenz-Sekretariat bis zur Schweizerischen Fachstelle für Alkohol- und andere Drogenprobleme (SFA) war es ein langer Weg und eine lange Geschichte. Die Zeiten haben sich geändert und mit ihnen die SFA. Sie hat auf neue Entwicklungen und Bedürfnisse reagiert und ist mit 100 Jahren moderner und aktiver denn je. Zum Jubiläum lud die SFA Fachleute aus aller Welt zu einem Fachsymposium im Berner Kursaal ein: "Von der Wissenschaft zur Aktion? 100 Jahre später - die Alkoholpolitik im Rückblick" lautete der Titel.
Die SFA veröffentlicht ein Buch zum Jubiläum. (Von mir stammt ein Interview mit Frau Ida Odermatt-Sury.)
2003 Die SFA wird zur Stiftung; Michel Graf ist ab 1. 11. 2003 ihr neuer Direktor.



Angestellt wurde ich vom damaligen Direktor Markus Wieser als Redaktor der Zeitschrift "Die Freiheit". Ich übernahm aber bald andere Aufgaben: zuerst in der Öffentlichkeitsarbeit und in der Lobbytätigkeit für eine wirksame Alkoholpolitik. (Es folgt mein Curriculum vitae:)



Eduard Muster
3034 Murzelen

Personalien:
Eduard Muster, geb. 22. Juli 1937, evang., von Hasle b/Burgdorf, des Hermann und der Klara geb. Hämmerli in 3034 Murzelen.

Lebenslauf:
1937-1960: Wohnhaft bei den Eltern in 3034 Murzelen, Gemeinde Wohlen bei Bern 1944-1957: Primarschule Murzelen, Sekundarschule Uettligen, Städt. Progymnasium Bern Literarschule des Städt. Gymnasiums in Bern Matura Typ A, Note II
1957-1960: Universität Bern, Lehramtschule für Sekundarlehrer (Prüfungen in Deutsch, Französisch, Geschichte, Geographie, Pädagogik) Studienaufenthalte in Paris und Lausanne
1960/1961: Sekundarlehrer in Sumiswald
1961-1963: Stellvertretung im Pestalozzidorf in Trogen, Lagerleiter und Hilfsleiter in Zivildienstlagern in Hilterfingen, Spinas (Engadin) und Daphni bei Athen, Korrektor an der deutschen Tageszeitung in Athen, Deutschlehrer an einem Privatgymnasium in Athen, Auskultant an der historischen Fakultät in Athen
1963-1967: Wohnhaft bei den Eltern, Studium an der phil-hist. Fakultät der Universität Bern (Geschichte, Geographie, Volkswirtschaft). Ein Semester in Freiburg (Schweiz), Stellvertretungen an der Sekundarschule Wabern und Bümpliz-Schwabgut.
1964-1967: Hilfslehrer an der Privatschule Dr. Feusi in Bern (Sekundarschule, Progymnasium, Tages- und Abendgymnasium)
1966-1967: Hilfslehrer am Städt. Realgymnasium Neufeld, Bern

Alkoholgegnerische Arbeit
Seit 1956: aktiver Abstinent
Seit 1957: Mitglied der Guttemplerloge Berna, Bern
Seit 1963: Mitglied der Abstinenten Burschenschaft Sequania, Bern
Herbst 1966: Pressechef im Kantonalen Arbeitsausschuss für die Alkoholinitiative, Mitarbeiter am Herzbergkurs der Guttempler.

Mit Kursen und Vorträgen, mit Stellungnahmen und Kontakten zu Meinungsträgern in der Öffentlichkeit und bei Parlamentariern versuchten wir, die öffentliche und veröffentliche Meinung zu beeinflussen. An Seminarien und Kongressen des "International Council on Alcohol und Addictions" (ICAA) lernten wir, was skandinavische und angelsächsische Forscher entdeckt hatten: Alkoholpolitik als Alkoholkontrollpolitik ist die wirksamste Prävention. Sie geht über die Verringerung der Erhältlichkeit und die Erhöhung der Preise der Alkoholika durch Steuern. Information kann dazu beitragen, das Verständnis für harte Massnahmen zu fördern; ihre direkte Wirkung ist eher schwach. Diese Erkenntnis wird von der Alkoholindustrie bekämpft. (Vorletztes Beispiel ist der Kampf in Brüssel gegen griffige Pläne der EU.) Die Politiker richten nun aber ihre Fähnchen oft nach dem stärkeren Wind - der oft von der Industrie her weht - statt den wissenschaftlichen Erkenntnissen zu folgen.

Um diesen Erkenntnissen in unserem Lande eine grössere Glaubwürdigkeit zu verschaffen, gründete unsere Fachstelle eine eigene Forschungsabteilung. Sie gewann mit der Zeit grosse Anerkennung im In- und Ausland.

Wir stellten fest, dass im deutschsprachigen Raum grosse alkoholpolitische Un-Wissenheit und Un-Willen bestand. Der Vortrag von Sully Ledermann "Kann man den Alkoholismus, ohne gleichzeitige Änderung des Gesamtverbrauches einer Bevölkerung, reduzieren?", den er 1964 in Frankfurt gehalten hatte, wurde zwar veröffentlicht, aber nicht gelesen und von deutsch schreibenden Autoren nie zitiert. Die Alkoholfachleute waren der Ansicht, mit dem Krankheitskonzept nach Jellinek sei das Problem zu lösen. Zuerst waren also die Sozialarbeiter und die Abstinenten zu überzeugen, was uns einigermassen gelang. Der Schritt zur aktiven Alkoholpolitik musste aber von ihnen getan werden.

Eidgenössische Parlamentarier können eine wichtige Rolle zugunsten einer gesundheitsorientierten Alkoholpolitik spielen: als Parlamentarier in Kommissionen und Räten, aber auch als Vermittler zur Verwaltung. Für eine Delegation, der ein Parlamentarier angehört, öffnen sich die Türen... Diese Lobbytätigkeit wird vor allem von Wirtschaftsverbänden geleistet. Aber auch unsere Fachstelle berief anfangs in jeder Session eine Sitzung einer Parlamentariergruppe ein, zu der früher viele abstinente Räte gehörten. Die Zahl der abstinenten Parlamentarier schrumpfte und die Menge der vollamtlichen Lobbyisten nahm zu. Der Ratsbetrieb wurde intensiver, so dass er von Milizpolitikern kaum noch zu bewältigen ist und Alkoholprobleme an Bedeutung verloren.

Lobbytätigkeit auf europäischer betreibt die Vereinigung "Eurocare" (The European Alcohol Policy Alliance), die vom Engländer Derek Rutherford gegründet und animiert wurde. Als Schweizer, Bürger eines Nicht-Mitgliedes der EU, war ich nur ein Anhängsel, konnte aber viel zu Gunsten der alkoholpolitischen Tätigkeit in der Schweiz profitieren. Einen wichtigen Teil meiner Arbeit bildeten die Kontakte zu Vereinen.

Von 1974 bis 2005 war ich Vorstandsmitglied, lange Zeit Geschäftsführer der "Arbeitsgemeinschaft Schweizerischer Abstinenten-Organisationen" ASA, deren Gründung und Auflösung ich begeleitete. Leider gelang es der ASA nicht, den Rückgang der Zahl der Abstinenten und das Verschwinden der meisten Vereine zu verhindern. Im Vorstand des Berufsverbandes der Sozialarbeiter für Alkoholkranke galt ich als Fachmann für Buchhaltung und Alkoholpolitik. Die SFA vertrat ich u.a. im Vorstand der Schule für Alkoholfürsorger und in der Arbeitsgemeinschaft für die Prävention von Tabakproblemen. Manche unserer jahrzehntealten Forderungen an eine gesundheitsorientierte Tabakpolitik sind inzwischen erfüllt oder mindestens populär geworden: Nichtraucherschutz, Jugendschutz, Steuern, Reklameverbot.

Mehr und mehr übernahm ich in der SFA auch administrative Aufgaben und wurde zum Stellvertretenden Direktor ernannt. Eine gewisse Bekanntheit erreichte ich als Autor der Broschüre "Zahlen und Fakten", die harte Fakten lieferte. Mehrere Jahre betreute ich auch die Internet-Seite sfa-ispa.ch.

In der Schweiz hat der Stimmbürger das Recht, mit einer Initiative (heute 100'000 Unterschriften) eine Volksabstimmung zur Einführung eines neuen Artikels in die Bundesverfassung zu verlangen. (Bis Januar 2009 sind seit 1881 ganze 268 Volksinitiativen eingereicht worden; die meisten davon wurden zurückgezogen oder in der Volksabstimmung abgelehnt.) Bei 4 Initiativen war ich aktiv beteiligt – "trotzdem" wurden alle abgelehnt. Die Anliegen waren:

"Zur Eindämmung des Alkoholismus ... ist die fiskalische Belastung auf alle alkoholischen Getränke auszudehnen. Sie ist in erster Linie nach dem Alkoholgehalt abzustufen und so hoch zu bemessen, dass sie den Verbrauch alkoholischer Getränke vermindert." ("Landesringinitiative", vom Volk abgelehnt am 16. Oktober 1966.) An dieser Volksabstimmung habe ich in meiner Freizeit mitgearbeitet; im Anschluss daran wurde ich in Lausanne angestellt. Bei den folgenden Initiativen half ich bei der Sammlung der Unterschriften und bei der Werbung für ein Ja in der Volksabstimmung mit.

"Jede Reklame für Raucherwaren und alkoholische Getränke ist untersagt." Diese von Schweizer Guttempler-Jugend lancierte Initiative ("Guttempler-Initiative") wurde am 18. Februar 1979 abgelehnt.

"Die Werbung für alkoholische Getränke und deren Marken ist untersagt."

"Die Werbung für Tabakwaren und deren Marken ist untersagt." Diese Forderungen wurden gleichzeitig in zwei getrennten Initiativen erhoben; sie wurden daher "Zwillingsinitiativen" genannt. Das Volk lehnte sie am 28. November 1993 ab.

Diese alkoholpolitischen Anliegen sind heute noch nicht realisiert, sie haben aber in den Jahrzehnten seit den Abstimmungen an Aktualität gewonnen. Vielleicht waren wir zu fortschrittlich! (Josi Meier, 1926 - 2006) eine der ersten Nationalrätinnen und erste Ständeratspräsidentin meinte: "Die Schweizer sagen nicht Nein, weil sie dagegen sind, sondern weil sie noch nicht dafür sind." (cit. Willi Wottreng, NZZ am Sonntag, 12.11.06)

Mehr zu den Initiativen der SFA seit 1910 finden Sie unter "Sechs alkoholpolitische Kraftakte".


Teil 4: Der Herbst des Lebens

Im Jahr 2000 zog ich mich auf Anraten des Arztes von meinem Beruf zurück und widmete mich mehr meinen Lieblingsbeschäftigungen: Internet, Alkoholpolitik, Sammeln, Esperanto, Lesen, Reisen.
Internet:
"Quod non est in interrete, non est in mundo."*


"Was nicht im Internet ist, gibt es nicht!" Mit dieser Wahrheit bin ich in der zweiten Hälfte der 90er Jahre hausieren gegangen. Gerade in sozial tätigen und religiösen Kreisen herrschte eine grosse Skepsis gegenüber dem neuen Medium und seine oft zweifelhaften Inhalte. "Gerade deswegen müssen unsere Ideen auch zu finden sein!" Ich hielt Vorträge in Einrichtungen ohne Internet-Anschluss vor Leuten ohne Zugang zum Netz. Es gelang mir immerhin, meinen Arbeitgeber und die Guttempler zu überzeugen, frühzeitig den Schritt ins www zu wagen.
* Gebildet nach der juristischen Aussage: "Quod non est in actiis, non est in mundo."

Hier ist die Familie Muster in Ecublens VD

Da ich feststellte, dass die Abstinenz von Alkohol und die Alkoholpolitik schlecht vertreten waren, habe ich von Gratisangeboten profitiert und eigene Seiten zu diesen Themen eröffnet, die sich ganz gut positionierten. Zum seinem 150. Geburtstag eröffnete ich 1998 eine Seite für den IOGT-Pionier August Forel, über den im Web nur Falsches zu finden war. In Wikipedia habe ich mit einem Artikel zu Gustav von Bunge angefangen. Zu seinem 50. Todestag von Fritz Schwarz habe ich eine Seite eingerichtet. Zu meiner Enttäuschung muss ich aber feststellen, dass meine Seiten zu meiner eigentlichen Muttersprache, dem Berndeutschen, viel mehr Interesse finden als die zu alkoholpolitischen Themen.

Das Internet bietet eine Sammlung an Wissen, wie die Menschheit sie bisher noch nie kannte. Seine Links bilden den grössten Katalog der Welt. Dank den URL sind die Seiten Tag und Nacht weltweit (meist noch) kostenlos zu lesen. Wenn aber voll Eifer neue Techniken angewendet, URLs geändert und beim Aufräumen Seiten gelöscht werden, so gehen Informationen unwiederbringlich verloren. Eine Internet-Seite ist ein Original-Manuskript und wird nur z.T. anderswo gespeichert... Die Bibliothek von Alexandria wurde auch stufenweise zerstört...

Alkoholpolitik
"Weniger ist mehr." – Weniger Alkohol bedeutet mehr Gesundheit.


Auch als Rentner beobachte ich die Alkoholpolitik und versuche, mir ein Bild über die Entwicklung zu machen; die ich jedes Jahr im Blaukreuzkalender und im Internet veröffentliche.

Bis Anfang der 80er Jahre bemühten sich Gesetzgeber und Behörden, die "Löcher in der Staumauer der Alkoholpolitik" zu stopfen, die J. Odermatt im Jahr 1950 festgestellt hatte. Die SFA und die Abstinenten hatten ihre Stimme und wurden gehört. Alkohol galt als besonderes Konsumgut. Die Revision des Wirtschaftsgesetzes des Kantons Appenzell-Ausserrhoden* im Jahre 1981 war vielleicht das erste Anzeichen einer Trendwende: Die Bedürfnisklausel für alkoholführende Wirtschaften wurde unter lautem Jubel über Bord geworfen. («In den Voralpen beginnt die Freiheit beim Alkohol*», spottete die «Weltwoche»). Diesem schlechten Beispiel folgten fast alle Kantone und in fast allen Kantonen stellt man seither fest, dass zu viele Alkoholquellen neu aufgehen und dass die alkoholfreien Gaststätten «überraschenderweise» aussterben. Im gleichen Aufwasch wurden oft andere Einschränkungen liquidiert wie z.B. die Polizeistunde oder das Wirtepatent.

* "Im Hochland fiel der erste Schuss", Ferdinand Freiligrath, "Neuere politische und soziale Gedichte", 1849-51 - von ihm aber positiv gemeint in einem Gedicht zum schweizerischen Sonderbundskrieg 1847 als Auftakt zum Revolutionsjahr 1848.

Schlanke Gesetze wurden Mode oder besser noch gar keine Gesetze. Betrüblich an diesen kantonalen Revisionen ist nicht nur ihr Inhalt, sondern der Mangel an Dialog und Reflexion. ("Alt, also weg" genügte zur Begründung.) Die Wiedergeburt des Nachtwächterstaates verknüpft mit der Globalisierung der Märkte und der Abschaffung der Handelsgrenzen haben ihren Niederschlag auch in der schweizerischen Alkoholpolitik gefunden: Alkohol wird wieder zu einem Konsumgut wie jedes andere auch.

In den 90er Jahren wagte die Weltgesundheitsorganisation Jahrzehnte nach Jellinek wieder, sich mit dem Alkoholproblem zu befassen und zwar nicht nur unter medizinischen, sondern unter gesamtgesellschaftlichen Aspekten. Im Jahr 1992 wurde der "Europäische Aktionsplan Alkohol" verabschiedet. "Man kann Alkohol nicht wie andere Konsumgüter behandeln, deren Konsumniveau durch die freien Kräfte des Marktes bestimmt werden. Alkohol ist ein ganz besonderer Saft", meinte Frau Dr. Kickbusch dazu.

Leider kann ich mich nicht des Eindruckes erwehren, dass der Aktionsplan vielerorts zwar angenommen, aber nicht übernommen wurde. Häufig werden Alkohol- und andere Drogenpolitik zusammengefasst behandelt. Ich freue mich darüber, dass Alkohol als Droge anerkannt wird. Aber manche Stellen und Personen sprechen dann lieber über das beliebte Drogen- als über das unbeliebte Alkoholproblem oder über die erfolgversprechende Tabakpolitik. Und wenn schon, dann muss deutsch und deutlich erklärt werden, dass man nicht "moralisieren" wolle und dass man gerne "ein gutes Glas Wein" zum Essen trinkt. Hoffentlich setzen die Kräfte durch, die wieder wie Babor et al. sagen: « Alkohol – kein gewöhnliches Konsumgut. Forschung und Alkoholpolitik» (Babor et al. 2005). – womit der Kreis geschlossen wäre...

Sammeln
"Sammle alles, was du kannst, denn man weiss niemals, wann es sich als nützlich erweisen könnte (Walter Benjamin)."

Alles sammle ich zwar nicht, aber einen grossen Platz in meinem Leben und in unserer Wohnung nehmen Bücher und Erinnerungsstücke ein. (Die kostbarsten sind wohl Wasser vom Iguaçu und Sand von der Copacabana.)

Richtig sammle ich heute noch Sonderstempel der Post und Ansichtskarten – zu Tausenden. (Ich bin natürlich Mitglied und Veteran bei den Fachvereinen.)

Esperanto
"Esperanto estas mia lingvo"
 

Schon früh faszinierte mich die Idee einer Weltsprache, die jedermann leicht als zweite Sprache lernen und sich so mit jedermann unterhalten könnte. Esperanto spielte in der Geschichte der Guttempler* eine grosse Rolle: Die Passwörter wurden in Esperanto verbreitet. Es gab eine "Esperanto- Guttempler-Vereinigung". August Forel lernte Esperanto und beschrieb in dieser Sprache sogar eine Ameisenart...

Ich lernte Esperanto in der Volkshochschule, beliess es aber einige Jahre dabei. Im Zivildienstlager in Griechenland gingen mir die Augen auf: Jeder der Teilnehmer hatte mit viel Mühe mindestens eine Fremdsprache gelernt – und dennoch konnte nicht alle miteinander reden. Wieder in der Schweiz trat ich 1963 dem schweizerischen und dem internationalen Esperanto-Verband bei, las viel, besuchte aber bis zum Jubiläumskongress "100 Jahre Esperanto" in Warschau (1987) mit 6000 Teilnehmern keine Veranstaltung. Meine erste schweizerische Veranstaltung war die Feier zum "100 Jahre Schweiz. Esperanto-Vereinigung" im Jahr 2003.
(Mehr zu Esperanto von mir.)

"Ja gibt es denn Esperanto noch, man hört ja nichts mehr davon?" – "Wer Ohren hat zu hören, der höre! Heute haben allerdings die Medien den Massen über soviel Wichtiges, Unwichtiges und Überflüssiges zu berichten, dass für Esperanto kaum mehr Platz bleibt."

* Senalkohola kulturo
En la vintra sezono 1905-06 la estro de la Sendependa Logiaro de Bontemplanoj (IOGT), parlamentano Edvard Wavrinsky, partoprenis kurson de Nylen kaj decidis fari Esperanton la officiala lingvo internatia de tiu ordeno. La uzo de secretaj signalvortaj en Esperanto ce la bontemplanoj kauzis lernemon pri tiu lingvo.
Jam en 1911 estis fondita „Tutmonda Esperanista Bontemplana Asocio“ (TEBA). Antaue jam ekzistis (ne plu lau detaloj konata) Esperantista kontraualkohola societo, kiun prezidis rektoro Boirac, Dijon. Oficiala organo de TEBA estis „La Bontemplano“, aperinta en Magdeburg de 1908 kiel aldono al „Germana Esperanto -Gazeto“. La gazeton redaktis G. Brockhot, Bomlitz, kiu de 1913 eldonis kaj redaktis novan oficialan gazeton (Esperanto kaj germanlingvan) „La Int. Abstinenta Observanto“, favoratan de la tiama mondtemplano Ed. Wawrinski, amiko de Esperanto.    Literaturo: "La alkoholdeman­do“, la fama verko de d-ro Bunge, trad. de Briegleb, en „La Bontempla­no“ 1912...

Forel August
Sviso, kuracisto, mondfama scienculo. Nask. 1848, mortis 27. Jul. 1931 en Yvorne. «Lia plej konata libro La seksa problemo… Diri la veron sen cirkaufrazo, sed kun luma pureco, honesta malkasemo kaj scienca tekniko, tamen scianta resti homa kaj simpatia, jen la maniero, en kiu Forel sukcesis verki tiun libron… En la scienca mondo ec pli konsiderataj estas liaj laboroj pri la homa cerbo, kiun li komparis kun tiu de la formikoj … Gvidanto de la kontrau-alkohola movado… Li verkis egalbone france au germana… Fidela membro de la UEA, al kiu li regule pagis sian kotizon, Forel subtenis nian movadon, en kiu li vidis grandan ilon por forigi malsagajn barilojn inter homoj kaj popoloj.» (Quelle: Enciklopedio de Esperanto, 1933; in dieser Abschrift fehlen die für Esperanto typischen Akzente)

Strasburgo, 3-10 de Oktobro 2004
Tutmonda Esperantista Junulara Organizo (TEJO) kaj Europa Junulara Federacio de "Good Templar" (EGTYF) invitas vin al la trejnseminario, kiu okazos en la Europa Junulara Centro en Strasburgo, Francio. La cefa temo de tiu ci trejnseminario estos "Projektmastrumado". Malgrau­ la malsamaj emfazoj de niaj organizoj, TEJO-anoj kaj EGTYF-anoj facile interamikigis - kaj espereble el tiu ci seminario fontos komunaj projektoj. Dum la seminario TEJO-anoj abstinis de alkoholo, kaj granda parto de la EGTYF-anoj tre interesigis pri E-o kaj jam volas lerni gin!


Lesen
Lesen im engeren Sinn bedeutet, schriftlich niedergelegte, sprachlich formulierte Gedanken aufzunehmen und zu verstehen.
(Wikipedia,06.02.09)

Schon bevor ich in die Schule ging, übte ich mich am Lesen der Tageszeitung und der wenigen Bücher, die es zuhause gab. Ich verpasste die üblichen Kinderbücher wie Pipi Langstrumpf, die heute für gute Resultate in Fernsehquiz' gefragt sind. Später weitete ich den Kreis meiner Lektüre aus und kam zu eigenen Büchern. Ich bedaure nur, dass ich nicht alle Bücher lesen kann, die jedes Jahr an den Buchmessen vorgestellt werden und dass ich an vielen interessanten Zeitschriften in den Kiosken vorbeigehen muss.

Da für mich das Wegwerfen von Büchern zu den Todsünden gehört, sammeln diese sich bei mir an. "Wir haben keine Bibliothek, wir leben in einer Bibliothek."


Reisen
"Hier stehe ich am Ende der Welt und kann zufrieden nach Hause gehen."*


Meine berufliche Tätigkeit und meine Ämter als Guttempler ermöglichten mir viele Reisen in Europa und Umgebung, sei es als Referent oder als Konsument. Höhepunkte waren Moskau, Sao Paolo und Nairobi. Nach meiner Pensionierung setzte ich mir das Ziel, mit meiner Frau zusammen alle Länder Europas zu besuchen. (Ein Land ist, was eigene Briefmarken herausgibt...) Wir standen fast vor dem Ziel, als in Ost- und Mitteleuropa neue Länder entstanden.

* ...sagte 1664 der erste Tourist am Nordkap, der Priester Francesco aus Ravenna. Zum Ende der Welt sind wir allerdings nicht gekommen, aber immerhin zum Nordkap, zum Westkap in Portugal und zum Zentrum Europas in Litauen.

Zu den Pflichtreisen gehören die IOGT-Weltkongresse, die Esperanto-Weltkongresse und die Herbstwochen an der Platja de Palma ("Ballermann") zum Studium der teutonischen Trink- und Seitensprungkultur.

Besuchte Länder (diese fehlen noch)
Island – Norwegen – Schweden – Aland – Dänemark – Finland (Fär Oer)
Irland – England – Wales – Schottland – Jersey – Guernsy – Alderney (Man)
Niederlande – Belgien – Luxemburg
Bundesrepublik – Saarland – DDR – Berlin
Estland – Lettland – Litauen
Sowjetunion – Ukraine (Belarus) - Polen – Tschechien – Slowakei
Österreich - Liechtenstein
Frankreich – Monaco (Andorra)
Italien – Vatikan – San Marino
Jugoslawien – Slovenien – Kroatien (Bosnien-Herzegowina, Kosovo, Mazedonien, Montenegro, Serbien)
Ungarn (Rumänien, Bulgarien, Moldawien, Transnystrien)
Spanien – Portugal – Madeira – Mallorca (Azoren, Gibraltar)
Malta – Zypern – Nordzypern – Türkei
Asien: Türkei
Afrika: Kenia
Amerika: Brasilien

Besonders überraschte mich, dass Europa von den Rändern aus geschichtlich und geographisch oft anders aussieht als vom Zentrum aus. Die baltischen Staaten, Malta und Irland brachten mir ganz neue Einsichten in die Entstehung und das Wesen Europas. Was wussten wir vorher von den Deutschordensrittern (denen es nicht um Religion, sondern um Macht ging), von den unterirdischen Tempeln auf Malta (uralt, riesig, technisch perfekt) und von den Hungersnöten in Irland (während die Engländer irisches Getreide in ihre Kolonien exportierten).
http://www.edimuster.ch/ : Hier ist die Familie Muster in Ecublens VD - Eduard Muster: emuster@hotmail.com 16/04/11